Zwischen Musik und Misophonie

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lesestress Avatar

Von

flüch·tig

Adjektiv

auf der Flucht befindlich, geflüchtet
von kurzer Dauer [und geringer Intensität]; im Vorübergehen, nebenbei [erfolgend]


Augenblicke, Glück, Liebe, Glaube und Kontakte: so vieles kann flüchtig sein – wie auch das gleichnamige Debüt von Hubert Achleitner.

Maria befindet sich nach 30 Ehejahren auf der Flucht – vor sich selbst und ihrer Vergangenheit, dem gemeinsamen Leben mit Ehemann Wig und all ihren ungeklärten Problemen. Von jetzt auf gleich kündigt sie ihren Job, räumt die gemeinsamen Konten leer und fährt los. Unterwegs ins Ungewisse, Hauptsache weg – ohne zu wissen wohin, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen.

Achleitner, als Musiker und Künstler bereits bekannt als Hubert von Goisern, reflektiert auf knapp 300 Seiten ohne erhobenen Zeigefinger über Gott und die Welt, über Menschen und ihre Beziehungen und darüber wie Glück und Unglück nicht nur nahe beieinander liegen, sondern oftmals nur eine Frage der Perspektive sind. Manchmal wird er dabei politisch, manchmal philosophisch. Seine Musikalität ist dem Buch zudem ebenso deutlich anzumerken: Songtexte, Melodien, Klangfarben und Gesänge untermalen die Gefühle aller Protagonist*innen. Sie machen Musik, hören Musik und leben Musik. Aber was passiert, wenn das eigene Leben aus dem Rhythmus geraten ist?

Eine Antwort liefert der Roman nicht. Auch keine Lösungsansätze dafür. Stattdessen stehen in seinem Fokus vertane Chancen und gegenseitige (indirekte) Schuldzuweisungen und obgleich er in seiner thematischen Vielschichtigkeit beinahe überladen ist, passiert nur wenig von inhaltlicher Qualität. Stattdessen verliert sich der Autor häufig im Erzählen von Nebenhandlungen, die zu weit vom Kern der eigentlichen Geschichte abdriften. Die sich zusätzlich regelrecht aufdrängende Spiritualität und Erotik ergaben in „flüchtig“ zusammen eine Kakofonie, die ich beim Lesen leider oft als unangenehm empfunden habe.

Für mich war es einfach nicht das richtige Buch und ich werde es daher auch nur flüchtig – also von kurzer Dauer und geringer Intensität – im Kopf behalten.