Einfühlsam und ergreifend
Luzie kehrt nach einem belastenden Erlebnis im Ausland zurück nach Hamburg, wo sie sich von der Welt zurückzieht und an der Elbe in einem DLRG-Haus untertaucht. Die Beziehung zu ihrer über hundertjährigen Großmutter Margrit, die in einem Pflegeheim wohnt und geistig wach geblieben ist, wird zu einem Anker in dieser schweren Zeit. Zwischen Tätowiernadeln, Gesprächen und alten Geschichten entsteht eine zarte Verbindung.
Margrits Fahrer Arthur, der ebenfalls Vergangenes mit sich trägt, kreuzt Luzies Weg – auch er sucht etwas, das er verloren hat, nicht zuletzt sich selbst. Während die ältere Generation in Erinnerungen an Kriegsjahre und verlorene Lieben schwelgt, versuchen die Jüngeren, ihren Platz im Leben zu finden. Drei Figuren, die auf sehr unterschiedliche Weise mit Verlust, Erinnerung und Neubeginn ringen, begegnen sich in einer flirrenden Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart.
„Sie hat gehört, es gibt eine Sprache, die hat ein Wort für jene Stille, die eintritt, nachdem der Besuch gegangen ist.“
Ich kenne dieses Gefühl, diese besondere Stille, nur zu gut. Ein Moment zwischen Erleichterung und Schmerz. Nachdenklich, schwer. So geht es mir nicht nur nach dem Besuch von Freunden oder Familie, sondern so ging es mir auch, als meine Großmutter im Pflegeheim starb. Ich war sechzehn. Ich erinnere mich, wie sich alles still anfühlte, leer, aber auch friedlich. Danach kam ich oft zurück, las anderen Bewohnern vor. Vielleicht, um dieser Stille etwas entgegenzusetzen.
In Katharina Hagenas „Flusslinien“ begegnet uns diese Stille in vielen Formen: zwischen zwei Atemzügen, in verlassenen Räumen oder nach dem Tod. Aber auch in Beziehungen, in dem, was unausgesprochen bleibt. Es ist ein stilles Buch, aber kein leises.
Im Mittelpunkt stehen drei Figuren. Luzie, 18, trägt eine schwere Last aus ihrer Zeit in Australien. Sie hat sich zurückgezogen, lebt allein in einer Hütte an der Elbe. Die Schule hat sie abgebrochen, Menschen meidet sie. Halt findet sie in der Kunst des Tätowierens, ein stiller, kraftvoller Weg, zu sich selbst zu finden. Besonders berührte mich, wie sie beginnt, die Haut ihrer Großmutter und anderer Senioren zu tätowieren, als würde sie mit jeder Linie Geschichte einfangen, vielleicht sogar heilen. Luzie ist widersprüchlich, verschlossen, verletzlich und gerade deshalb greifbar.
Ihre Großmutter Margrit, 102 Jahre alt, klug, wach, voller Erinnerungen, lebt in einer Seniorenresidenz an der Elbe. Früher war sie Stimmbildnerin, hat viel erlebt, viel verloren. Ihre Erinnerungen tauchen bruchstückhaft auf: Kindheit, Krieg, Liebhaber, Freundschaften, die Liebe ihrer Mutter zu einer Frau namens Else. Keine große Geschichtsstunde, sondern fühlbare Lebenserfahrung. Ich war tief beeindruckt, wie sanft und klar Margrit auf ihr Leben zurückblickt, nicht bitter, sondern mit wacher Versöhnung.
Und dann ist da Arthur. Zunächst unscheinbar, ein Fahrer, der Senioren zu Terminen bringt. Doch auch er trägt eine Geschichte, geprägt von Verlust, Schuld und der Suche nach Sinn. Seine vorsichtige Annäherung an Luzie wirkt echt, verletzlich.
Die Elbe ist Symbol, Spiegel und Begleiter im Roman. „Im Wort Elbe steckt das Wort Leben“, heißt es. Alles fließt. Es geht weiter. Verändert sich. Unaufhaltsam.
Besonders schön: Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen Text, den ich zunächst nicht zuordnen konnte. Später wird klar, Luzies Mutter hat ihn geschrieben. Eine stille Figur im Hintergrund, aber spürbar präsent. Das hat mir das Herz zusammengedrückt. Diese heimliche Fürsorge, das Dasein im Unsichtbaren, glaubwürdig und zart erzählt.
Und all die Themen, die beiläufig mitschwingen: Tod, Trauma, Erinnerung, Naturschutz, Frauengeschichte, Sprachkritik, Körperbilder, Tattoos als Ausdruck von Überleben und Identität. Ich habe selten ein Buch gelesen, das so viele Themen streift, ohne überladen zu wirken. Katharina Hagena schreibt fließend, klar, mit poetischer Tiefe. Ihre Sprache ist wie der Fluss, mal ruhig, mal reißend, aber immer in Bewegung.
Für mich ist Flusslinien ein stilles, tiefes Buch. Es zeigt: Es geht weiter. Vielleicht liegt darin seine Kraft, es führt in die Tiefe, ohne zu erdrücken. Und es zeigt, dass man mit Narben weiterleben, ja, sogar stärker werden kann.
Ein Buch wie ein Fluss. Weich, aber unaufhaltsam.
Margrits Fahrer Arthur, der ebenfalls Vergangenes mit sich trägt, kreuzt Luzies Weg – auch er sucht etwas, das er verloren hat, nicht zuletzt sich selbst. Während die ältere Generation in Erinnerungen an Kriegsjahre und verlorene Lieben schwelgt, versuchen die Jüngeren, ihren Platz im Leben zu finden. Drei Figuren, die auf sehr unterschiedliche Weise mit Verlust, Erinnerung und Neubeginn ringen, begegnen sich in einer flirrenden Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart.
„Sie hat gehört, es gibt eine Sprache, die hat ein Wort für jene Stille, die eintritt, nachdem der Besuch gegangen ist.“
Ich kenne dieses Gefühl, diese besondere Stille, nur zu gut. Ein Moment zwischen Erleichterung und Schmerz. Nachdenklich, schwer. So geht es mir nicht nur nach dem Besuch von Freunden oder Familie, sondern so ging es mir auch, als meine Großmutter im Pflegeheim starb. Ich war sechzehn. Ich erinnere mich, wie sich alles still anfühlte, leer, aber auch friedlich. Danach kam ich oft zurück, las anderen Bewohnern vor. Vielleicht, um dieser Stille etwas entgegenzusetzen.
In Katharina Hagenas „Flusslinien“ begegnet uns diese Stille in vielen Formen: zwischen zwei Atemzügen, in verlassenen Räumen oder nach dem Tod. Aber auch in Beziehungen, in dem, was unausgesprochen bleibt. Es ist ein stilles Buch, aber kein leises.
Im Mittelpunkt stehen drei Figuren. Luzie, 18, trägt eine schwere Last aus ihrer Zeit in Australien. Sie hat sich zurückgezogen, lebt allein in einer Hütte an der Elbe. Die Schule hat sie abgebrochen, Menschen meidet sie. Halt findet sie in der Kunst des Tätowierens, ein stiller, kraftvoller Weg, zu sich selbst zu finden. Besonders berührte mich, wie sie beginnt, die Haut ihrer Großmutter und anderer Senioren zu tätowieren, als würde sie mit jeder Linie Geschichte einfangen, vielleicht sogar heilen. Luzie ist widersprüchlich, verschlossen, verletzlich und gerade deshalb greifbar.
Ihre Großmutter Margrit, 102 Jahre alt, klug, wach, voller Erinnerungen, lebt in einer Seniorenresidenz an der Elbe. Früher war sie Stimmbildnerin, hat viel erlebt, viel verloren. Ihre Erinnerungen tauchen bruchstückhaft auf: Kindheit, Krieg, Liebhaber, Freundschaften, die Liebe ihrer Mutter zu einer Frau namens Else. Keine große Geschichtsstunde, sondern fühlbare Lebenserfahrung. Ich war tief beeindruckt, wie sanft und klar Margrit auf ihr Leben zurückblickt, nicht bitter, sondern mit wacher Versöhnung.
Und dann ist da Arthur. Zunächst unscheinbar, ein Fahrer, der Senioren zu Terminen bringt. Doch auch er trägt eine Geschichte, geprägt von Verlust, Schuld und der Suche nach Sinn. Seine vorsichtige Annäherung an Luzie wirkt echt, verletzlich.
Die Elbe ist Symbol, Spiegel und Begleiter im Roman. „Im Wort Elbe steckt das Wort Leben“, heißt es. Alles fließt. Es geht weiter. Verändert sich. Unaufhaltsam.
Besonders schön: Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen Text, den ich zunächst nicht zuordnen konnte. Später wird klar, Luzies Mutter hat ihn geschrieben. Eine stille Figur im Hintergrund, aber spürbar präsent. Das hat mir das Herz zusammengedrückt. Diese heimliche Fürsorge, das Dasein im Unsichtbaren, glaubwürdig und zart erzählt.
Und all die Themen, die beiläufig mitschwingen: Tod, Trauma, Erinnerung, Naturschutz, Frauengeschichte, Sprachkritik, Körperbilder, Tattoos als Ausdruck von Überleben und Identität. Ich habe selten ein Buch gelesen, das so viele Themen streift, ohne überladen zu wirken. Katharina Hagena schreibt fließend, klar, mit poetischer Tiefe. Ihre Sprache ist wie der Fluss, mal ruhig, mal reißend, aber immer in Bewegung.
Für mich ist Flusslinien ein stilles, tiefes Buch. Es zeigt: Es geht weiter. Vielleicht liegt darin seine Kraft, es führt in die Tiefe, ohne zu erdrücken. Und es zeigt, dass man mit Narben weiterleben, ja, sogar stärker werden kann.
Ein Buch wie ein Fluss. Weich, aber unaufhaltsam.