Poetischer Generationenroman voller wunderschöner Bilder!

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buecherseipi Avatar

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„Eine Frau hat nur ein erfülltes Liebesleben gehabt, wenn sie auf eine lange Beziehung, eine kurze Affäre, eine verbotene Liebe, eine unerfüllte Liebe, einen großen Liebeskummer und eine alles verzehrende Leidenschaft zurückblicken kann.“ (S. 173)

Wer sich in dieser Beschreibung wiederfindet, befindet sich in bester Gesellschaft! Nämlich in der von Margrit, 102 Jahre alt aber im Herzen jung geblieben.

Ich begleite Margrit im wortwörtlichen Sinn durch ihr Leben und ihre Lieben, immer an einer Flusslinie (in diesem Fall die der Elbe) entlang. Gesäumt ist dieser Fluss von allerlei Pflanzen und Tieren – wunderschön beschrieben am Anfang jedes Kapitels. Am Ufer finde ich viele Ihrer Wegbegleiter, die mal mehr, mal weniger lang eine Rolle in Margrits Leben gespielt haben.

Neben Margrit erzählt Katharina Hagena diese wunderbare Geschichte aus der Sicht ihrer Enkelin Luzie und ihres Fahrers Arthur. Die Handlung erstreckt sich über zwölf Tage in der Gegenwart und alle drei lassen uns durch Rückblicke an ihrem jeweiligen Leben und ihren Erfahrungen teilhaben. Obwohl Luzie und Arthur nur einen Bruchteil der Lebenszeit von Margrit hinter sich haben, mussten sie beide bereits einige Rückschläge verkraften.

Der Autorin gelingt es, allen Figuren eine unheimliche Tiefe zu geben und sie dabei trotzdem nicht unglaubwürdig oder überladen erscheinen zu lassen.
An Margrit mochte ich unheimlich gern ihre Jugendlichkeit, die immer mal wieder schelmenhaft durchblitzt. Welche 102-Jährige lässt sich bitte noch tätowieren? Und – ich muss leider ein klein wenig spoilern, weil ich es einfach so unglaublich toll finde – dann auch noch eine Flusslinie über ihren ganzen Körper, so perfekt passend! Ich konnte mir das Tattoo richtig gut vorstellen, eine klasse Idee!

Bei Luzie hat es mich traurig gemacht, dass die sehr viel mit sich selbst ausmacht, bevor sie sich auf andere Personen einlässt und sich ihnen öffnet. Dadurch wirkt sie aber wirklich authentisch und ich mochte besonders an ihr, dass sie unbeirrt ihren Weg geht und ihre Ziele verfolgt.

Mit Arthur hatte ich zuerst noch meine Probleme, weil seine Geschichte sich anfangs noch eher wie die einer Randfigur liest. Doch dann erfährt man immer mehr über diesen liebenswerten Nerd und seine Vergangenheit und es bleibt einem nichts anderes übrig, als ihn ebenfalls ins Herz zu schließen.

„Irgendetwas wohnt unter den großen Buchen, sie stehen so steif am Hang, dass ihre Wurzeln freiliegen wie alte Zahnhälse.“ (S. 188)

Katharina Hagena hat mit „Flusslinien“ wirklich einen einzigartigen Generationenroman geschrieben, der getragen wird von einer unheimlich poetischen Sprache, die wunderschöne Bilder vor meinem inneren Auge entstehen ließ. Die Charaktere sind stark und verletzlich zugleich und ich habe sie sehr gern begleitet. Außerdem weiß ich jetzt, was „Geheimweh“ bedeutet 😉
Wer es wissen will , wird wohl das Buch lesen müssen! Von mir gibt es jedenfalls eine absolute Empfehlung für diesen wunderschönen Roman!