Serienstart mit Potenzial

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"Sind Sie wirklich sicher, dass Sie sich das zutrauen?", wird Anna Zech von ihrem Vorgesetzten gefragt. Krankenschwester Anna, aus bescheidenen Verhältnissen vom Land, tritt in München ihren Assistentinnendienst in der Gerichtsmedizin an. Hier wartet die erste Herausforderung bereits auf sie: Adele Röckl, alternde Theaterschauspielerin, liegt auf dem Obduktionstisch, tot aufgefunden im Auer Mühlbach. Unfall, Selbstmord, Mord? Anna lernt Friedrich von Weynand kennen, der sich das eher langweilige Dasein des verheirateten Adligen verkleidet als Skandalreporter Fritz Nachtwey vertreibt. Beide bilden fortan ein ungewöhnliches Ermittlerduo.

Petra Aicher nutzt ihren historischen Roman mit Krimi-Elementen dazu, die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen der Zeit knapp vor dem Ersten Weltkrieg zu schildern. Der Wandel von überkommener Monarchie zu demokratischen Bestrebungen hat eingesetzt; ebenso verändert sich das Frauenbild, sichtbar vor allem an Anna, die eigene Vorstellungen für ihre Lebensperspektive sieht und diese auch umsetzt. Ihre Gestalt wird im Fortgang der Handlung immer selbstbewusster und gewinnt an Profil. Fritz/Friedrich wiederum verliert ein wenig von seiner abgeklärt-oberflächlichen Haltung und wird nachdenklicher und ernsthafter. Die Beziehung der beiden zueinander mit ihrem Geplänkel erinnert manchmal an Screwball-Filmkomödien wie auch das Cover ein gelungenes Filmplakat abgäbe. Die Charaktere der beiden Hauptfiguren und der anderen Personen sind so herausgearbeitet, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Petra Aicher formuliert angenehm flüssig und stilsicher. Die eingestreuten Zeitungsartikel von Fritz' (fiktivem) Skandalblatt sind ein tolles Element.

Der Kriminalfall und seine Lösung tritt über weite Strecken im Mittelteil des Buches in den Hintergrund, bildet aber die Klammer für die Romanhandlung. Das Verweben unterschiedlicher Genres halte ich für durchaus gelungen, einzig eine vorsichtige Straffung des Mittelteils hätte der Spannung gut getan. Ich bin neugierig auf eine Fortsetzung der Reihe um "Fräulein Anna, Gerichtsmedizin", und wer weiß, vielleicht können wir Anna und Fritz irgendwann auch im Kino wiedersehen.