Gesellschaftsportrait Münchens kurz vor dem Ersten Weltkrieg

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Dieser Roman, ich nehme an, er ist bewusst nicht als historischer Krimi klassifiziert, spielt in München in der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die junge Krankenschwester vom Land, Anna Zech, tritt im Jahr 1912 eine Stelle in der Münchener Gerichtsmedizin an, wo sie als junge Frau erst einmal skeptisch empfangen wird. Gleich bei ihrem ersten Fall, einer toten Schauspielerin, beweist sie aber, dass sie der Arbeit durchaus gewachsen ist. Durch ihre Mitarbeiter bei der Untersuchung dieser Wasserleiche wird der verarmte Adelige Fritz von Weynand auf sie aufmerksam, der heimlich ein Doppelleben als Skandalreporter führt und hofft, über die noch recht naive Anna Details zum Tod der Schauspielerin zu erfahren. Anna durchschaut sein Spiel aber schnell und so entwickelt sich langsam eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und eine Art Freundschaft, trotz aller Unterschiede und sie bekommt durch ihn spannende Einblicke in die Münchener Gesellschaft und ins Schwabinger Nachtleben.

Mir hat dieser erste Teil einer neuen Reihe sehr gut gefallen. Im Mittelpunkt steht keine Liebesgeschichte, sondern eine Art Freundschaft zwischen einer jungen kleinbürgerlichen Frau und einem wohlhabenden Adeligen, der einige Jahre älter ist als sie. Für die damalige Zeit sicher recht ungewöhnlich. Ich mag, wie Anna sich nicht einschüchtern lässt, weder durch ihn noch durch ihre Arbeit oder bestimmte Konventionen und wie sie erst einmal beruflich etwas erreichen will, bevor sie über Heirat nachdenkt. Auch Fritz von Weynand ist mir trotz mancher Schwäche sympathisch, wie er mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, manch Fehlverhalten und Doppelmoral in Adelskreisen aufdeckt und sich für die einsetzt, die ihm wichtig sind. Der Schreibstil war gut lesbar und der Kriminalfall um die ermordete Schauspielerin hat am Ende nochmal eine überraschende Wendung, steht aber für mich eher im Hintergrund. Was ich hilfreich gefunden hätte, wäre eine Karte mit den Schauplätzen in München im Einband, damit ich diese besser einordnen kann, da ich München zwar kenne, aber eben doch nicht so gut, dass diese mir alle vertraut wären.