Positiv überrascht!

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caillean79 Avatar

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Zuerst mal muss ich sagen: das Cover allein hätte mich nicht überzeugt, das Buch zu lesen. Die Fotografien, die wohl einen Eindruck der beiden Protagonisten geben sollen, wirken auf mich eher kitschig - um es mal krass zu formulieren: das Cover sieht eher nach Groschenroman aus als nach solider Unterhaltung.

Aber genau deshalb wurde ich dann beim Lesen des Buches so positiv überrascht! Die Geschichte ist gut erzählt, bringt viele geschichtliche Fakten und Aspekte aus der Zeit kurz vorm 1. Weltkrieg mit und hat vor allem unheimlich viel Witz und Charme! Etwas, das ich bei einem solchen historischen Roman - eher Krimi - nicht unbedingt erwartet hätte.

Aber der verbale Schlagabtausch zwischen Fritz von Weynand und Anna Zech, der fast immer zu erwarten ist, wenn die beiden aufeinandertreffen, ist vergnüglich und macht einfach nur Spaß beim Lesen.

Da ist einerseits Anna, die in der Gerichtsmedizin als Assistentin arbeitet und sich schnell den Respekt der dort tätigen Ärzte verdient. Dabei bleibt die junge Frau bescheiden und vor allem sittsam - was im München der 1910er Jahre nicht unbedingt selbstverständlich ist. Auf der anderen Seite gibt es den Adligen Fritz von Weynand, der in einer Zweckehe gefangen ist und sich daher ein „Steckenpferd“ gesucht hat - unter dem Pseudonym Fritz Nachtwey ist er in Schwabing als Skandalreporter unterwegs und deckt in seinem Blatt gern die Doppelmoral der feinen Münchner Gesellschaft auf - wobei er die Wahrheit durchaus manchmal ein wenig dehnt und viel Raum für Spekualtionen lässt.

Es dauert ein wenig, bis Anna hinter die Fassade des Reporters schauen und seine wahre Identität entlarven kann - aber dann fühlt sie sich doch irgendwie angezogen von dem interessanten Adligen mit den zwei Gesichtern, der so herrlich launig über die bayerische Monarchie herzieht und dessen halb ernst gemeinte Annäherungsversuche Anna doch irgendwie schmeicheln.

Die beiden Hauptfiguren bei ihren Ermittlungen zum Tod der berüchtigten Schauspielerin Adele Röckl zu begleiten ist ein Genuss! Einerseits wegen der Dialoge, die wirklich köstlich sind und bei denen zwischen Anna und Fritz ordentlich die Funken sprühen, obwohl beide natürlich absolut schicklich bleiben. Andererseits, weil auch der „Fall“ - angesiedelt im zwielichtigen Künstlermilieu - gut aufgebaut und gestrickt ist. Erst kurz vor Ende des Buches, auf den letzten 30 Seiten, ahnte ich, wer der wirkliche Täter war... die „Lösung“, die dann letztlich für diesen Fall gefunden wird, ist so typisch und stimmig für die damalige Zeit und die agierenden Figuren, dass ich das Buch mit einem süffisanten Lächeln zugeklappt habe.

Fritz und Anna haben mich absolut in ihren Bann gezogen und ich freue mich jetzt schon auf den zweiten Teil „Die Schwabinger Morde“, der im Juli 2023 erscheinen wird. Ich bin definitiv wieder mit dabei!