Toller historischer Roman mit Krimi-Elementen

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Wow, dieser vor Esprit strotzende Roman hat mich enorm überrascht! Mit herrlich atmosphärischen Beschreibungen, zeitgerechter Wortwahl (inklusive Dialekt) sowie durch und durch authentisch gezeichneten Figuren erweckt Autorin Petra Aicher das München um 1912 direkt vor meinen Augen zum Leben und lässt mich tief ins Geschehen eintauchen. Geschickt verbindet sie geschichtliche Fakten mit Fiktion und reichert die Handlung mit einer ordentlichen Portion Lokalkolorit an.

Die Story um das ungewöhnliche Ermittler-Duo Anna und Fritz (aka Friedrich) hat mich rundum überzeugen können. Es war mein erster Roman aus dem Subgenre historischer Krimi, wobei ich das Werk im Nachhinein eher als einen (sehr gelungenen) historischen Roman mit eingewobenen Krimielementen bezeichnen würde.

SIE (- Mädchen vom Land, klug, aufrichtig, herzensgut, tugendhaft -) arbeitet seit Kurzem in der Gerichtsmedizin und ist not amused, als sie herausfindet, dass ER (- Spross aus vermögender Adelsfamilie, der heimlich eine Skandalzeitung veröffentlicht -) sie zu Beginn ihrer Bekanntschaft bewusst getäuscht hat, um ihr Informationen zu entlocken. Aber da kann der wortgewandte Herr noch so charmant tun, Anna lässt sich nicht von ihm um den Finger wickeln.

Hach, es war absolut erfrischend, wie sie ihm regelmäßig die Leviten gelesen hat hinsichtlich seiner polarisierenden, frechen Artikel. Zudem fühlt sie sich von seiner Aufmerksamkeit zwar geschmeichelt, weist ihn allerdings bezüglich ihrer unverhofft aufkeimenden Freundschaft klar in seine Schranken und bleibt ihren Prinzipien treu: Keinerlei Anbändeln - der Mann ist schließlich verheiratet! Dennoch liegt etwas in der Luft, es knistert leicht zwischen ihnen; beide genießen die gemeinsamen Momente und die wachsende Vertrautheit.

Fritz (dessen Frau nur an seinem Adelstitel interessiert gewesen war und nach der Geburt zweier Kinder ihre eheliche Pflicht als erfüllt sieht) hat in der Tat häufig Affären. Eine davon, die clevere Schauspielerin Carlotta, lernen wir direkt zu Beginn kennen und sie nimmt eine bedeutende Rolle in der Handlung ein. Ihr Pragmatismus, ihre Schlagfertigkeit und ihr Humor haben mir sehr imponiert; ich mochte sie richtig, richtig gerne. Trotz ihres Rufes (- Schauspielerinnen galten als sündige, leichte Frauen -) hat Carlotta das Herz definitiv am rechten Fleck und ich hoffe inständig, in den Folgebänden hin und wieder von ihr lesen zu dürfen.

Auch die anderen Nebenfiguren sind wahre Unikate, z.B. Annas Vorgesetzter - der sympathische Dr. Gernhuber, Annas Mentor, war mein Star; ich liebte seine Kabbeleien mit Co-Arzt Dr. Schmidt sowie dem Gehilfen Lobinger!

Was den Schreibstil betrifft: Wunderbar!! Ich war rundum zufrieden mit der intensiven Vorstellung der Charaktere (facettenreich, glaubwürdig agierend) und dem Spannungsbogen samt völlig überraschender Auflösung. Einzig die Ermittlungsarbeit hätte gerne noch einen Tick stärker in den Vordergrund gestellt werden können, doch wie gesagt: Für mich war es ohnehin mehr spannender Histo-Read als reiner Krimi, daher vergebe ich sehr gerne volle 5 Sterne.

Fazit:
Den Namen dieser talentierten Autorin muss ich mir merken! Ich war mehr als happy mit meinem Leseerlebnis und freue mich schon jetzt auf den nächsten Band ("Die Schwabinger Morde" erscheint im Juli 2023). Klare Empfehlung für alle Fans von historischen Romanen!