Der Kriminalfall rückt in den Hintergrund

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missmarie Avatar

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Zwei Jahre sind vergangen, seit Alma Täuber unfreiwillig im Fall einer Toten in Baden-Baden ermittelt hat. Während sich die Weimarer Republik langsam von der Inflation erholt, ist Almas Heimatstadt im Ägyptenfieber. Schließlich wird die Oper Aida in der Stadt aufgeführt und das mit Starbesetzung. Drum herum organisiert die Kurverwaltung thematisch passende Bälle und Modenschauen. Nildgrün und Gold changieren zur Farbe der Saison. Doch nach der erfolgreichen Opernvorstellung trübt sich die ausgelassene Stimmung als der Tenor tot auf den Treppen des Kurhauses gefunden wird. Ob der Verehrer von Almas bester Freundin Emmi etwas mit dem Mord zu tun haben könnte? Der war wenig begeistert davon, dass Emmi nur noch Augen für den Sänger hatte.

Die beiden Autorinnen, die sich hinter dem Pseudonym Charlotte Blum verbergen, haben auf für den zweiten Teil ihrer Krimireihe ganze Arbeit geleistet. Wie auch schon im ersten Band finden sich zahlreiche Anspielungen auf die Goldenen Zwanziger, sei es mit Musiktiteln oder der Miele 50, die laut knatternd die Wäsche der Familie Täuber wäscht. Sogar ein Glossar findet sich im Anhang, wo diese Referenzen genauer beschrieben sind. So gelingt es den Frauen, die Atmosphäre der 20er aufleben zu lassen. "Der Tote im Kurhaus" ist ein richtiger Cody-Krimi, in dem die Atmosphäre im Vordergrund steht. Alle liebgewonnenen Figuren der Reihe treten wieder auf. Die quirlige Emmi, die strenge Großmutter und der modebegeisterte Blumenhändler Baer sind wieder mit von der Partie. Wer sich also mit Emmi an den fiktiven Kaffeetisch setzen möchte, kommt auch hier wieder voll auf seine Kosten.

Auch die politischen Geschehnisse des Jahre 1924 lassen die Autorinnen einfließen. Der Hitlerputsch ist noch in aller Munde, Anhänger seiner Ideologie finden sich auch unter den Fräuleins vom Amt. Die Zeitungen berichten über die Verhandlungen zum Ruhrgebiet. Im Fokus steht dieses Mal - neben dem Ägyptenthema und den Ausgrabungen im Tal der Könige - die Position der Frau in der Weimarer Republik. Emmi und Alma sind sehr moderne Frauen. Muss man wirklich die Arbeit nach der Hochzeit aufgeben? Ist ein Leben als Hausfrau erstrebenswert? Welcher neuen Möglichkeiten eröffnen die gerade erfundenen Verhütungsmittel? Darum geht es an vielen Stellen des Romans, ohne dass die Fragen abschließend geklärt werden.

Der Schreibstil der Autorinnen ist angenehm leicht zu lesen und lässt die Leser:innen schnell in die Geschichte eintauchen. Allerdings wurde für meinen Geschmack manchmal zu viel erklärt. Die Andeutungen zwischen den Zeilen oder Sprachspiele erkenne ich auch, ohne vom Erzähler darauf hingewiesen zu werden. Deutlich positiver fallen da die zeittypischen Ausdrücke ("Mir ist ganz blümerant") ins Gewicht.

Ein großes Manko besitzt der Roman dann doch: Bei allen Recherchen und (im Nachwort begründeten) künstlerischen Abweichungen von der Historie kommt der Kriminalfall viel zu kurz. Das beginnt schon damit, dass der tote Tenor dem Leser ziemlich egal ist und die Motivation, seinen Tod aufzuklären, eher gering. Die Ermittlungen laufen eher im Hintergrund, andere Themen wie Almas Liebschaft oder die Streitigkeiten auf dem Amt drängen dem gegenüber viel mehr in den Vordergrund. Einige der Figuren, die mit dem Mord zu tun haben, sind recht nett angelegt. Aber auch hier steht eher die Figur selbst als der Krimi im Fokus. Die Aufklärung am Ende ist dann auch reichlich konstruiert und so bleibt das Gefühl: Dieses Buch habe ich wegen der Atmosphäre gelesen - nicht wegen des Falls.