eine ungewöhnliche, intensive Coming of Age Geschichte

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marga_pk Avatar

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Köhlmeier erzählt in "Frankie" sehr präzise, dicht und ungemein spannend vom vierzehnjährigen Frank, dessen Großvater nach 18 Jahren aus der Justizanstalt Stein entlassen wird.
Von Anfang an merkt man: Das stimmt etwas nicht. Die Mutter lässt sich gleich wegschicken, sie soll am Bahnhof warten, während Opa auf der nächstbesten Bank vor dem Gefängnis Platz nimmt, mitten auf den Maulbeeren, trotz der hellen Hose, und sein Schachbrett auspackt.
Was dann folgt, ist keine schöne Großvater-Enkelsohn-Annäherung. Denn Opa hat sich nicht im Griff, er schlägt zu und entschuldigt sich nicht dafür. Seinen Enkelsohn scheint er trotzdem zu mögen – auf seine eigene Art. Und irgendwie ist Frank – Frankie, wie ihn der Großvater nennt, obwohl der Teenager die Verniedlichung hasst – von seinem Großvater auch fasziniert.
Wie ein Gewitter bricht der unbekannte Verwandte, dessen einstige Tat nie ausgesprochen wird, über Franks Alltag, der geprägt ist von der fast schon zu harmonisch-engen, durchorganisierten Beziehung zwischen dem Teenager und seiner Mutter.

Eines Nachts taucht Opa in Franks Schlafzimmer auf. Frank folgt ihm hinaus in die Nacht. Sieht ihm dabei zu, wie er ein Auto aufbricht, steigt ein. Und findet eine Pistole.

Ich bin durch dieses Buch gehetzt, so spannend, so dicht und intensiv war es. Vor allem aber geht es nie so weiter, wie man denkt. Es ist die Attraktivität des Bösen, des Wilden, der sich nichts pfeift, die Frank in ihren Bann zieht, obwohl er selbst das nicht möchte.

Wie geht es einem Jungen, der bei seiner Mutter aufwächst, die in ihm einen Partnerersatz sucht? Was passiert, wenn plötzlich der Großvater und später auch der Vater auf der Bildfläche erscheinen – beide ganz und gar egoistische Arschlöcher. Wo sucht ein Junge seine Vorbilder, wenn sie innerhalb der Familie fehlen?

Frankie ist eine intensive Geschichte über die eigene Ich-Werdung und den verzweifelten Versucht, sich gegenüber den falschen Vorbildern abzugrenzen.
Aber Vorsicht: Wer offene Enden scheut, sei gewarnt. Es bleiben Fragen offen. Das irritiert im ersten Moment. Im zweiten aber stellt man fest: Das Leseerlebnis wäre nur halb so intensiv, wenn alles restlos aufgeklärt würde.