Ein bewegendes Schicksal

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jennifer081991 Avatar

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Obwohl Marie Benedict die Fiktionalität ihres Werkes betont, so sind doch die äußeren Rahmenbedingungen von Milena Marićs Leben traurigerweise nur äußerst wahr. Benedict schafft das Bild einer starken und geistig wachen Persönlichkeit, deren Leuchten durch die Gesellschaft, aber auch durch ihren eigenen Ehemann, immer stärker erlischt. Und obgleich mir in diesem Falle der Klappentext große Teile der Geschichte verriet, konnte ich den Roman kaum aus der Hand legen. Zu eindringlich sind die Schilderungen aus Milenas Sichtweise, zu unausweichlich die Entwicklung. Selbst mit rudimentären geschichtlichen Kenntnissen aus der damaligen Zeit (die Rede ist vom Übergang des 19. ins 20. Jahrhundert in verschiedenen europäischen Metropolen) erahnt man die Stolpersteine, die Hindernisse und äußeren Zwänge, denen die brillante Frau ausgesetzt ist.
Milena mag zeitweise ihren Kampfgeist verloren und sich in ihr Schicksal ergeben haben, ihren scharfen Verstand verlor sie nie. Eindrücklich folgt man jedem Gedankengang, jedem Triumph und jeder Niederlage zugleich und bekommt am Ende nur das Bild einer starken Frau, die in ihrem Leben Fehler gemacht hat, sich selbst jedoch nicht verleugnet. Das Buch hat mir sehr viel Lesegenuss beschert, gleichzeitig habe ich einen Groll gegen Albert Einstein entwickelt, den ich sicher nicht so bald ablegen kann. Wie die Autorin Marie Benedict am Schluss betont, kennt niemand die wahre Geschichte um Milena Marić, weite Teile ihrer Vergangenheit sind unbekannt, etwa ob ihre Tochter Lieserl schlussendlich dem Scharlach erlag oder zur Adoption frei gegeben wurde. Doch alleine die Tatsache, dass wir heute (außerhalb von Physik-Fachkreisen) kaum etwas über das Schicksal einer so wichtigen Person in Albert Einsteins Leben wissen, ist ein großes Armutszeugnis. Selbst wenn sie nur seine intelligente Gesprächspartnerin gewesen wäre und seinen Haushalt in Schuss gehalten hätte, verdient Milena Marić, dass ihr Name uns heute ebenso bekannt ist wie der ihres berühmten Gatten. Am Ende dieses Romans frage ich mich, wie viele begnadete Männer der Geschichte nur deshalb Zeit für ihre Theorien, ihre Entwicklungen und ihren Austausch hatten, weil Frauen für ihr Wohlbefinden sorgten und ihnen alle private Last abnahmen? Warum sind die Namen all dieser Frauen uns heute unbekannt?