wenn eine intelligente Frau in der falschen Zeit geboren wurde

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lilly94 Avatar

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Mileva ist zum Ende des 19. Jahrhunderts eine der ersten Frauen, die in Zürich Physik und Mathe studieren darf. Die junge Frau hat einen Hüftfehler und ihre Mutter hat ihr immer vorgelebt, dass Frau sich Zuhause um die Familie kümmern muss und nicht an die Universität gehört. Aber Milevas Vater erkennt ihre Intelligenz schon früh und ermöglicht ihr den steinigen Weg nach Zürich. Dort angekommen lernt sie in der Pension Engelbrecht was es heißt, Freundinnen an ihrer Seite zu haben und legt ihre Schüchternheit ab. Auf Albert Einstein, ein Komilitone von ihr, macht sie mit ihrer Intelligenz großen Eindruck und er verliebt sich in sie. Mitza- wie Mileva auch genannt wurde- weigert sich zunächst jedoch, sich ihre eigenen Gefühle einzugestehen, da ihr Lebensplan keine Ehe vorgesehen hat. Letzendlich siegt jedoch die Liebe und die beiden werden ein Paar- unter der Vorraussetzung, dass die beiden "Bohemians" bleiben.
Alles scheint perfekt, bis Mitza ungewollt schwanger wird und damit ganz allein zurecht kommen muss, da Albert eben doch nicht so weltoffen ist wie es zunächst schien. Mitza verliert sich immer mehr in den Pflichten einer Hausfrau und lernt eine ganz andere Seite von dem berühmten Albert Einstein kennen.
Obwohl es sich um einen biographischen Roman handelt möchte ich nicht weiter auf die Handlung eingehen.
Ich habe aufgrund meines Studiums eigentlich geglaubt, mich ganz gut mit Albert Einsteins Werdegang auszukennen, aber der private Teil war mir gänzlich unbekannt. Natürlich steckt in der Geschichte viel Fiktion aber ich glaube, dass man anhand des Briefwechsels, den die Autorin im Nachwort erwähnt und aufgrund der Tatsache, dass Einstein das Preisgeld des Nobelpreises an Mitza vermacht, sehr viel auf seinen (egoistischen) Charakter schließen kann. Man vergisst oft, dass hinter Genies der Menschheit auch nur Persönlichkeiten stecken, und diese müssen nicht immer sympatisch sein.
Nun zum Buch: Ich bin etwas zwiegespalten, da ich etwas anderes erwartet habe. Ich finde, dass das Buch sehr vielversprechend mit vielen physikalischen Gedankengängen startet und diese sich mit der Liebesgeschichte die Waage halten. Weiterhin spielt auch Freundschaft eine große Rolle. Als die beiden ein Paar werden, gingen mir die ganzen Kosenamen wie Doxerl und Jonzerl manchmal auf die Nerven, aber auch darüber konnte ich hinweg sehen.
Als dann jedoch die Kehrtwende in Mitzas Leben kam wurde nicht nur der Schreibstil nüchterner sondern Mitzas Gefühlswelt fing an mich ein wenig zu nerven. Dauernd denkt sie darüber nach, dass sie es eigentlich nicht mag, wenn ein Mann sie unterdrückt. Andererseits bleibt ihr durch die damaligen Zwänge aber keine andere Wahl, als bei Albert zu bleiben. Ich habe zwar schon mit ihr gelitten, aber den Teil hätte die Autorin auch ein Stück kürzen können, denn hier kam der wissenschaftliche Part arg zu kurz.

Der Klappentext suggeriert außerdem etwas anderes, als die Anmerkungen am Ende des Buches vermuten lassen, nämlich dass es zwar HInweise auf Milevas Mitwirken an Alberts Theorien gab, aber dies nie bewiesen werden konnte.
Trotz mehrerer Kritikpunkte hat mir das Buch ziemlich gut gefallen, aber eben aus anderen Gründen als erwartet. Vor der Lektüre hatte ich gedacht, ein wenig mehr von der Marterie hinter der Relativitätstheorie zu lernen aber die Autorin hatte eine ganz andere Intention: Zu zeigen, wie in der damaligen Zeit durchaus hochintelligente Frauen in das Korsett der Hausfrau gezwängt wurden und ihre Fahigkeiten zurück halten mussten um ihren Ehemännern zu gefallen.
"Frau Einstein" ist ein Roman über die Unterdrückung der Frau im frühen 20. Jahrhundert und wie schwer die Zwänge der Ehe die damaligen Frauen einschränkten. Wer hier ein wissenschaftlich fundiertes Sachbuch erwartet liegt falsch, aber wer ein wenig in die Gefühlswelt einer jungen Frau eintauchen will, dem empfehle ich das Buch wärmstens.