Vielschichtige Familiengeschichte zwischen Montréal und Beirut

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Als Maroun el Shami zunehmend dement wird, beginnt er mit seiner Enkelin Lilit über seine Erinnerungen zu sprechen; diese macht es sich zur Aufgabe, die Geschichte ihrer Familie zu erzählen. Besonders interessiert ist sie an ihrer Großmutter, Anoush Abajian, die sie nie selbst kennengelernt hat. Anoush hat als Kind den Völkermord an den Armeniern überlebt und ist als Adoptivkind eines Pastors nach Kanada gekommen. In Montréal lernte sie schließlich Maroun, der als Kind mit seinen Eltern aus dem Libanon ausgewandert war, kennen und gründete eine eigne Familie. Lilit gehört somit bereits zur dritten Generation ihrer Familie in Kanada und hat kaum Bezug zum Libanon, doch die Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte führt sie im Jahr 2020 nach Beirut, wo sie nicht nur mehr über ihre Wurzeln erfährt, sondern auch mit den aktuellen politischen und sozialen Zuständen im Land konfrontiert wird.

Pierre Jarawan hat mit „Frau im Mond“ einen umfangreichen, vielschichtigen Familienroman geschaffen, der es schafft politische und soziale Themen der Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden. Besonders gut gefallen haben mit die Reflexionen über das Erinnern bzw. über die Art und Weise wie Erinnerungen festgehalten werden und weiterwirken. Jarawans Schreibstil ist anekdotenhaft und humorvoll und die von ihm geschaffenen Charaktere sind originell und liebenswert. Mitunter kann es ein bisschen herausfordernd sein, der Chronologie der Geschichte zu folgen, da es immer wieder Vor- und Rückblenden aus verschiedenen Perspektiven gibt; für mich hat jedoch genau das den Roman sehr unterhaltsam gemacht – auch wenn er stellenweise recht beschaulich ist, wird es nie langweilig. Neben dem Völkermord an den Armeniern sind auch Raumfahrt und Filmgeschichte zwei Themen, die sehr präsent sind, und über die man beim Lesen viel Interessantes erfährt. Für mich war es dabei nicht immer ganz leicht Realität und Fiktion zu unterscheiden, aber genau darum geht es auch im Roman und das Nachwort des Autors schafft dahingehend auch etwas mehr Klarheit. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für dieses Buch – vor allem wenn man gerne Familiengeschichten mit historischen Bezügen liest!