Sprachlich überzeugendes Lifestyle-Porträt einer Generation zwischen äußerem Selbstoptimierungsdrang und innerer Leere

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
bea20 Avatar

Von

Im Mittelpunkt von „Freizeit“ steht Franziska, 27 Jahre alt, die gerade nach zweijährigem Paris-Aufenthalt und einer schmerzlosen Trennung von ihrem französischen Freund in ihre deutsche Heimatstadt zurückgekehrt ist. Ihr Studium hat sie abgeschlossen, ihr Einstieg ins Berufsleben erfolgte glatt und erfolgreich und sie lebt frei und selbstbestimmt ein scheinbar perfektes und sorgenfreies Leben.

Die Hauptfigur ist keine empathische, offene Person, die ihren Mitmenschen zugewandt ist. Gutaussehend, in den sozialen Medien durchdacht präsent, finanziell erfolgreich als Autorin von Werbeslogans und Songtexten, beginnt sie nebenbei einen Roman zu schreiben, der scheinbar fiktiv die Lebensentwürfe ihrer Generation und ihrer Freunde thematisiert. Echte Nähe und uneingeschränktes Vertrauen empfindet sie nicht gegenüber Freunden und Familie. Sie ist ein Mensch, der vieles mit sich selbst ausmacht, ihre Unsicherheit, ihre Traurigkeit, ihr Verlorensein angesichts der Vielzahl der wegweisenden Entscheidungen, die auf der Schwelle zwischen Abschied der Jugend und Eintritt ins volle Erwachsenenleben zu treffen sind. Gnadenlos urteilt sie über andere, aber auch über ihre eigenen Versäumnisse und Fehlbarkeiten. Nach ihrer Rückkehr aus Paris kann sie nicht mehr reibungslos an ihre alte Clique anknüpfen, besonders das Verhältnis zu ihrer besten Freundin Mina ist deutlich gestört. Mina lebt mittlerweile in einer festen Partnerschaft mit Kinderwunsch, hat sich für ein Leben im eigenen Haus auf dem Land entschieden und neue Freunde mit ähnlichen Lebensentwürfen gefunden. Franziska leidet sehr unter dem drohenden Verlust der engsten Freundin, schafft es jedoch nicht, ihre Ängste und Gefühle auszusprechen. Und das ist die große Last, die sie mit all ihrer Ambivalenz trägt: das Unvermögen, sich nahbar und verletzlich zu zeigen und der gleichzeitig stark ausgeprägte Drang der optimalen Selbstdarstellung.

Carla Kaspari hat ein sehr gutes Gespür für Sprache, ihre Beschreibungen sind sehr präzise und authentisch, die Dialoge im heutigen modernen Jargon des Nichtssagens; durch Rückblenden und das Einflechten des Romanmanuskripts der Hauptfigur erhält der Text Dynamik und Spannung. Mir haben das Buch, sein schlichtes, aber dennoch auffälliges Cover und das Lifestyle-Porträt einer Generation, der alle Wege offenstehen und die davor verzagen, gut gefallen.