Von Hökschen auf Stöckchen

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skaramel Avatar

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Von Timmel nach Rechtsupweg und dann weiter nach Aurich – klang für mich fast wie meine Urlaube aus der Kindheit. Da stand unser Ferienhaus immer am Timmler Meer und ich bin die Wege bis in die Auricher Innenstadt geradelt. In Moa Gravens „Fremder“ fahren wir mit auf dieser Route, aber diesmal nicht wie ich mit dem Rad, sondern mit einem älteren Ehepaar, dass auf der Straße einen Sack voller Leichenteile findet.

Morde in Ostfriesland sind seit Klaus-Peter Wolf nichts Neues mehr und auch Moa Graven hat schon das ein oder andere Opfer in den friesischen kleinen Dörfern platziert. Für ihren Protagonisten Jan Krömer ist es schon der siebte Fall, für mich als Leser gerade mal der Erste. Leider habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass ich viel verpasst habe. Schade, denn die Leseprobe versprach mir ein paar blutrünstige und spannende Stunden in der Gegend meiner Kindheit. Was ich bekam? Schlechten Schreibstil, schwache Dialoge und unterschwellige Politikkritik. Wenn ich wirklich „In unserem Land läuft etwas schief“ und „Ich habe kein Problem mit Flüchtlingen, aber...“ lesen will, dann muss ich nur unter irgendeinen beliebigen Artikel bei Facebook gucken und kann mich all solcher Plattitüden kaum retten. Moa Graven hat durch Helif Number versucht, einen ausländischen Praktikanten einzubinden, der von den Medien in ein falsches Licht gerückt wird. Leider wirkt das alles viel zu gewollt und vollkommen ist missglückt. Bei einigen Aussagen lief es mir kalt den Rücken runter, da – wenn man sich schon dem Thema widmen möchte – man dazu zum einen besser recherchieren und zum anderen ein paar mehr Seiten opfern sollte. Aber nicht nur das? Wir haben auch zusätzlich noch eine völlig seltsam, gestörte Beziehung, die mir über die kompletten Seiten nur Fragen aufgeworfen hat. Natürlich war es mein erster Roman dieser Reihe, trotzdem sollte man neue Leser irgendwo abholen und nicht die Frage offen lassen, ob die beiden Protagonisten ein Paar sind oder nicht. Nebenbei platziert Moa Graven noch ihre Ansichten gegen die Massentierhaltung, was natürlich lobenswert ist, aber auf der knappen Seitenanzahl viel zu viel ist. Daher rollt man nach dem zehnten vegetarischen Würstchen leider die Augen.

Die Dialoge wirken sehr flach und in keiner Weise natürlich. Leider bin ich immer wieder für einzelne Sätze gestolpert und der Gedanke „So spricht doch kein Mensch“ hat sich immer mehr manifestiert.
Die kurzen Abschnitte wirken sich leider auf den Lesefluss nachteilig aus. Ist man gerade ein wenig in den aktuellen Plot angekommen, gibt es wieder einen Bruch und wir wechseln den Schauplatz, die Personen oder einfach die Zeit. Dabei finde ich kurze Kapitel eigentlich sehr gut, jedoch sollten sie schon länger als fünf bis zehn Sätze sein. Die kurzen Kapiteln spiegeln aber das allgemeine Bild des Buches für mich wieder „Von Höckschen auf Stöckchen“. Politik, Beziehung, Massentierhaltung, Mörder und wilde Spekulationen auf gerade mal 250 Seiten. Da bleibt keinerlei Zeit für großartige Ausschweifungen, Erklärungen oder überhaupt einen ordentlichen Aufbau einer kohärenten Story.

Wirklich schade, aber vermutlich mein letzter Roman von Moa Graven.