Satz mit X - das war wohl nichts (Neues)
"Freunde lieben" ist wahrscheinlich eine der größten Enttäuschungen in meinem Buchregal seit langem. Ich hatte mich vor Release echt auf das Buch gefreut: ein queerer Autor schreibt darüber, wie wir unsere engsten Beziehungen neu definieren können? Das hört sich doch theoretisch super an. Schon in den letzten Jahren hatte ich ein paar Bücher zu dem Thema Beziehungen gelesen, darunter auch eins zu dem Thema querplatonischer Freundschaften, welche meine Augen auch nachhaltig sehr geöffnet haben. Ich erwartete ähnliches auch von Ole Liebls Buch.
Was ich vorfand, war in Kürze ein komplettes Chaos und ich frage mich ernsthaft, wie man auf die Idee kam, das Buch zu veröffentlichen. Thematisch ist es relativ konfus: Es fühlt sich an, als hätte Ole Liebl beim Schreiben eine Buzzword-Bingokarte ausfüllen müssen. Es werden natürlich die zu erwartenden Buzzwords wie Kapitalismus und Liberalisierung ausgepackt, aber auch andere Themen werden erwähnt wie "Wusstet ihr, dass Werbung sexier wurde?" oder "Hier ist eine kurze Zusammenfassung der Historie der Ehe seit 1500". Das ist theoretisch spannend (danke für die Geschichtsstunde, ich habe echt etwas gelernt), aber fühlt sich beim Lesen sehr zufällig zusammengestapelt an, insbesondere weil dann die Überleitungen auch noch...dürftig waren. Mir fehlte beim Lesen echt die Revolte, das Neue. Da hilft dann auch kein Schaubild, wie Ole Liebl für sich persönlich einen Booty Call von einer F+ differenziert.
Was mich zum nächsten Punkt bringt: die Wissenschaftlichkeit. Auf der einen Seite war Herr Liebl sehr wissenschaftlich an die Sache rangegangen, aber für meinen Geschmack zu wissenschaftlich. Das Buch fühlt sich eher wie eine Projektarbeit aus dem 4. Mastersemester an. Die Quellen sind veraltet (Befragungen über das Sexualverhalten von Studenten aus 2010) und teilweise subjektiv und auch ohne nähere Begründung von Ole Liebl kommentiert. (In etwa so: "Die Kapitalisierung der Ehe empfand ich als nicht sehr slay.")
Eine der Dinge, die mich aber am meisten gestört hat, war, dass Ole NIE über den Tellerrand schaut - und genau das 18.000 Mal erwähnt. Ole Liebl erwähnt von Anfang an, dass er als queerer Autor für eine heterosexuelle Zielgruppe schreibt (warum?) und dabei nur die heterosexuelle (?) weiße Sicht annimmt (auch da: warum?). Er entschuldigt sich dafür mehrfach, so oft sogar, dass ich mich frage: warum ist er nicht den einen Schritt weitergegangen. Warum schreibt er ein Buch über die "Revolte" unserer Beziehungen, wenn er am Ende des Tages doch nur genau das vorkaut, was jede x-beliebige Gala-Reporterin (nichts gegen die Gala) bereits schon erzählt hat? Warum schreibt er ein Buch über eine Revolte, welche dann genau das ist, was er aller drei Sekunden kritisiert: heterosexuell, weiß, männlich. Warum schaut er nicht in Subkulturen, neue Bewegungen, in andere Kulturen oder auch Religionen, warum werden queere Argumente (genau die Subkultur aus der Liebl doch selbst kommt) missachtet? Man hätte über queerplatonische Freundschaft schreiben oder darüber schreiben können, was heterosexuelle Menschen von der queeren Community lernen können (wenn man unbedingt nur den heterosexuelle Blickwinkel für den maximalen Absatz beschreiben möchte), doch all dies wird missachtet, um den Lesenden eine konzeptlose, überdimensional aufgebauschte Geschichte der Ehe und des Christentums und des Patriarchats zu liefern.
Um es nochmal zu betonen: nichts gegen eine Geschichtesstunde, fand ich spannend. Aber hatte wenig mit dem Thema zu tun.
Ole Liebl fokussiert sich zudem NUR auf Sex. Aber ist das dann eine Revolte, wenn Sex doch die sozial akzeptierte Währung ist? Allein aus meinem persönlichen Umfeld könnte ich 2 andere Wege aufzählen, wie man seine Freunde intensiver lieben könnte, aber auch hier wurde einfach nicht über den Tellerrand geschaut. Es wird wieder nur der heteronormative Weg gewählt, the path of least resistance.
"Freunde lieben" kratzt an der Oberfläche des Themas, aber hinterlässt weder Schaden noch mehr Mehrwert als ein Klatsch- und Tratsch-Artikel. "Freunde lieben" ist vielleicht für heterosexuelle Menschen, die wirklich noch nie von dem Wort "Freundschaft Plus" gehört haben eine komplette Revolte, ansonsten würde ich wirklich von dem Lesen abraten. Insbesondere queeren Menschen ist das hier nicht zu empfehlen.
Was ich vorfand, war in Kürze ein komplettes Chaos und ich frage mich ernsthaft, wie man auf die Idee kam, das Buch zu veröffentlichen. Thematisch ist es relativ konfus: Es fühlt sich an, als hätte Ole Liebl beim Schreiben eine Buzzword-Bingokarte ausfüllen müssen. Es werden natürlich die zu erwartenden Buzzwords wie Kapitalismus und Liberalisierung ausgepackt, aber auch andere Themen werden erwähnt wie "Wusstet ihr, dass Werbung sexier wurde?" oder "Hier ist eine kurze Zusammenfassung der Historie der Ehe seit 1500". Das ist theoretisch spannend (danke für die Geschichtsstunde, ich habe echt etwas gelernt), aber fühlt sich beim Lesen sehr zufällig zusammengestapelt an, insbesondere weil dann die Überleitungen auch noch...dürftig waren. Mir fehlte beim Lesen echt die Revolte, das Neue. Da hilft dann auch kein Schaubild, wie Ole Liebl für sich persönlich einen Booty Call von einer F+ differenziert.
Was mich zum nächsten Punkt bringt: die Wissenschaftlichkeit. Auf der einen Seite war Herr Liebl sehr wissenschaftlich an die Sache rangegangen, aber für meinen Geschmack zu wissenschaftlich. Das Buch fühlt sich eher wie eine Projektarbeit aus dem 4. Mastersemester an. Die Quellen sind veraltet (Befragungen über das Sexualverhalten von Studenten aus 2010) und teilweise subjektiv und auch ohne nähere Begründung von Ole Liebl kommentiert. (In etwa so: "Die Kapitalisierung der Ehe empfand ich als nicht sehr slay.")
Eine der Dinge, die mich aber am meisten gestört hat, war, dass Ole NIE über den Tellerrand schaut - und genau das 18.000 Mal erwähnt. Ole Liebl erwähnt von Anfang an, dass er als queerer Autor für eine heterosexuelle Zielgruppe schreibt (warum?) und dabei nur die heterosexuelle (?) weiße Sicht annimmt (auch da: warum?). Er entschuldigt sich dafür mehrfach, so oft sogar, dass ich mich frage: warum ist er nicht den einen Schritt weitergegangen. Warum schreibt er ein Buch über die "Revolte" unserer Beziehungen, wenn er am Ende des Tages doch nur genau das vorkaut, was jede x-beliebige Gala-Reporterin (nichts gegen die Gala) bereits schon erzählt hat? Warum schreibt er ein Buch über eine Revolte, welche dann genau das ist, was er aller drei Sekunden kritisiert: heterosexuell, weiß, männlich. Warum schaut er nicht in Subkulturen, neue Bewegungen, in andere Kulturen oder auch Religionen, warum werden queere Argumente (genau die Subkultur aus der Liebl doch selbst kommt) missachtet? Man hätte über queerplatonische Freundschaft schreiben oder darüber schreiben können, was heterosexuelle Menschen von der queeren Community lernen können (wenn man unbedingt nur den heterosexuelle Blickwinkel für den maximalen Absatz beschreiben möchte), doch all dies wird missachtet, um den Lesenden eine konzeptlose, überdimensional aufgebauschte Geschichte der Ehe und des Christentums und des Patriarchats zu liefern.
Um es nochmal zu betonen: nichts gegen eine Geschichtesstunde, fand ich spannend. Aber hatte wenig mit dem Thema zu tun.
Ole Liebl fokussiert sich zudem NUR auf Sex. Aber ist das dann eine Revolte, wenn Sex doch die sozial akzeptierte Währung ist? Allein aus meinem persönlichen Umfeld könnte ich 2 andere Wege aufzählen, wie man seine Freunde intensiver lieben könnte, aber auch hier wurde einfach nicht über den Tellerrand geschaut. Es wird wieder nur der heteronormative Weg gewählt, the path of least resistance.
"Freunde lieben" kratzt an der Oberfläche des Themas, aber hinterlässt weder Schaden noch mehr Mehrwert als ein Klatsch- und Tratsch-Artikel. "Freunde lieben" ist vielleicht für heterosexuelle Menschen, die wirklich noch nie von dem Wort "Freundschaft Plus" gehört haben eine komplette Revolte, ansonsten würde ich wirklich von dem Lesen abraten. Insbesondere queeren Menschen ist das hier nicht zu empfehlen.