Eine neue junge Stimme am nigerianischen Literaturmarkt/der Diaspora

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
buchlesenliebe Avatar

Von

Enitan, Zainab und Funmi lernen sich in den 1980ern an der Universität in Zaria/Nordnigeria kennen und werden - trotz anfänglicher Ressentiments, unterschiedlicher Charaktere, Temperamente und Wertvorstellungen - Freundinnen. Freundinnen auf Lebensdauer, „Seelen-Schwestern“ zwischen den Kontinenten. 30 Jahre haben sie sich nicht gesehen, hielten den Kontakt vor allem über die sozialen Medien, blieben auf ihre Art beieinander. 1987 trennten sich ihre Wege in Nigeria im Zuge einer studentischen Protestbewegung, die von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde und die für Funmis damaligen Freund tödlich endete. Ein paar Jahre später heiratet Funmi einen hochrangigen Armeegeneral und führt fortan ein luxuriöses Leben in der kosmopolitischen Megacity Lagos. Auch Zainab bleibt in Lagos, bekommt vier Kinder und kümmert sich in der Gegenwart um ihren pflegebedürftigen Ehemann. Die zurückhaltende Enitan verlässt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ihr Herkunftsland und wandert mit ihrem Weißen Mann, einem sogenannten Oyinbo, nach New York aus. Nun kehrt sie mit ihrer intellektuellen, etwas rebellischen und künstlerisch begabten Tochter Remi nach Nigeria zurück und die drei Freundinnen werden nach all den Jahren wieder vereint: anlässlich der eher unfreiwilligen Hochzeit von Funmis Tochter Destiny.

„Freundin bleibst du immer“ ist das literarische, warmherzige Debüt der jungen Autorin Tomi Obaro. Eine sympathische neue Stimme in der nigerianischen Literaturszene bzw. der Diaspora. Ein Roman mit Unterhaltungswert, der neben dem großen Thema der überdauernden Frauenfreundschaft aber auch weitere, teils sehr ernsthafte Aspekte verhandelt. Entlang der individuellen Lebenswege und Schicksale von Enitan, Zainab und Funmi thematisiert Obaro auch familiäre Dynamiken in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaftsstruktur, schwierige Mutter-Töchter-Beziehungen und deren Emanzipation daraus, Generationenkonflikte, soziale Klassenunterschiede, Migrations- und Rassismuserfahrungen, wichtige politische Ereignisse, eine traumatische Abtreibung, sexuelle Gewalt.

Und die Leser*innen erhalten einen recht authentischen Eindruck über das gesellschaftliche Spannungsfeld und die Verortung des Individuums zwischen Tradition und Moderne. Außerdem gewährt die Autorin authentische Einblicke in die große kulturelle Vielfalt Nigerias. Dies zeigt sich nicht nur durch die prächtig inszenierte Hochzeitszeremonie, die damit verbundene traditionelle Mode oder die Erwähnung typischer Gerichte und von Nollywood-Filmen, sondern auch durch die intertextuellen Bezüge zu klassischer nigerianischer Literatur wie jener von Chinua Achebe, der bereits 1958 in „Things Fall Apart“ über den drohenden Verlust traditioneller Werte und den gesellschaftlichen Wandel durch den Einfluss des Westens schrieb. In diesem Kontext hat es mir auch besonders gut gefallen, dass Obaro immer wieder - auch interpretierbar in Abgrenzung zum Englischen als einstige Kolonialsprache und typisch für viele afrikanische Literaturen - wortweise die indigenen Sprachen Yoruba, Hausa und Igbo in ihrem Text einfließen lässt (das angehängte Glossar ist sehr hilfreich, aber viel lässt sich auch im Kontext verstehen) und generell den Wert afrikanischer Literaturen zum Thema gemacht hat, der im Vergleich zu westlicher Literatur auch innerhalb des Landes oft negiert wird👌🏽.

An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir dafür mehr Tiefe und eine holistischere literarische Reflexion gewünscht, sicherlich ist eine kleine Kritik an dem teils sehr „amerikanischen“ Stil nicht bestreitbar und das Ende empfand ich zudem als etwas „happy-clappy-gewollt“. Aber insgesamt ein Roman, den ich gern gelesen habe.