Frauenfreundschaft über Jahrzehnte und Kontinente

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evaczyk Avatar

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Die unscheinbare Enitan, die selbstbewusste Funmi und die schöne, aber zurückhaltende Zainab sind seit ihrer gemeinsamen Studienzeit an einer Univerität im Norden Nigerias in den 70-er Jahren befreundet. Dreißig Jahre später kommen sie in Lagos zusammen, um diei Hochzeit von Funmis Tochter Destiny zu feiern. Mit dabei: Enitans Tochter Remi, die äußerlich ganz nach ihrem weißen amerikanischen Vater kommt und zum ersten Mal in das Geburtsland ihrer Mutter reist. Mit ihren Fragen und ihrer Neugier, mit der sie all die neuen Eindrücke in der pulsierenden westafrikanischen Metropole bestaunt, ist sie gewissermaßen die Brücke zwischen der Handlung und nicht-afrikanischen Leser:innen.

Tomi Obaros Roman "Freundin bleibst du immer" wechselt die Zeitebenen: Geht es zunächst um das Wiedersehen der drei Frauen und die Hochzeitsvorbereitungen, widmet sich der mittlere Buchteil den Jahren des Studiums und zeigt, wie es zu der Freundschaft zwischen den drei von Temperament, ethnischer und sozialer Herkunft sehr unterschiedlichen Frauen kam. Danach geht es wieder in die Gegenwart des Jahres 2005.

Mit gerade mal 312 Romanseiten bleibt allerdings relativ wenig Platz, die Lebenswege der drei Frauen und der ebenfalls vorgestellten Familien darzustellen. So gerät vieles recht oberflächlich, die Beziehungsgeflechte werden nur angekratzt und auch wenn deutlich wird, was die Freundschaft der Protagonistinnen zementiert hat, wird nicht klar, wieso sie bei ganz unterschiedlichen Entwicklungen noch immer eng miteinander sind und Kontakt gehalten haben.

Obaro zeigt Szenen so schrill wie aus einem Nollywood-Film, das Chaos der schwülheißen Metropole Lagos, die sozialen und religiösen Kontraste des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas, die allgegenwärtige Kriminalität, die Angst der Wohlhabenden vor Entführungen aus ihrer abgeschotteten, privilegierten Welt. Für Remi, die gender studies studiert und darunter leidet, als weiß wahrgenommen zu werden, ist es eine schockierende Erkenntnis, das das wirkliche afrikanische Leben so gar nichts von der automatischen Solidarität hat, die in BIPoC-Kreisen progressiver Studenten vermutet wird. Die Welt ist eben nicht so schwarz-weiß (pun intended) wie manche glauben.

Ob Essen, Redewendungen (die in einem Glossar erläutert werden, ebenso wie Haussa und Yoruba-Ausdrücke) und Familienfeste - manche Beschreibungen Obaros wirken eher folkloristisch, bleiben an der Oberfläche. Schade eigentlich. Aber ich vermute, die Autorin weiß es einfach nicht besser und ist nicht wirklich tief in der nigerianischen Kultur und Gesellschaft verwurzelt, die sie nur von Urlaubsreisen kennt: Geboren als Kind nigerianischer Eltern in England und mittlerweile in den USA lebend, hat sie dort keine eigene Lebenserfahrung sammeln können. Für Leserinnen, die sich mit Nigeria auseinandersetzen wollen, ist das gewissermaßen "Africa light".