Wahre Freundschaft?

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bluesjj Avatar

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Was hatte ich erwartet? Ein Buch über eine seit Jahrzehnten andauernde, tiefe Frauenfreundschaft, die auf ein gemeinsames Miteinander, gemeinsame Erlebnisse und einen intensiven Austausch aufbaut. Aber irgendwie trafen hier meine Erwartungen an das Buch und die Realität nicht ganz aufeinander. Ja, die Freundschaft der drei Protagonistinnen Funmi, Enitan und Zainab dauert seit Jahrzehnten an und sie haben Höhen und Tiefen miteinander durchlebt. Aber wirklich intensiv ist sie schon seit langer Zeit nicht mehr. Und bei genauerer Betrachtung frage ich mich: War sie das überhaupt jemals? Oder war es vielmehr oftmals Mittel zum Zweck oder Gewohnheit? Nach meinem Empfinden gab es in der mehr als 30-jährigen Freundschaft kaum einen Austausch von Sorgen, Gedanken oder wichtigen Lebensereignissen. Sie bleiben sich fremd und leben aneinander vorbei. Kurz gesagt: Es fehlt Tiefe.

Das Thema Freundschaft ist für mich in der Geschichte eher ein Rand-Thema, anders als es der Titel und der Klappentext suggerieren. Hätte mich das nicht in eine bestimmte Erwartungshaltung gedrängt, hätte mich das Buch vielleicht mehr überzeugen können. Dabei hat das Buch eigentlich so viel zu bieten: Emanzipation, Mutter-Tochter-Konflikt, Verlust, erste Liebe, Klassenunterschiede, Rassismus, Unterdrückung, erdrückende Erwartungshaltungen… Interessant fand ich vor allem das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne und die Rebellion und Zerrissenheit, die dadurch auch entstehen. Insbesondere die Schilderungen der nigerianischen Hochzeitszeremonie oder der Familienessen waren wunderschön beschrieben und lösten beim Lesen regelmäßig Kopfkino aus. So wollte ich weiterlesen, auch wenn ich die ganze Zeit im Hinterkopf hatte, dass jetzt aber ganz dringend eine Steigerung der Tiefe betreffend nötig wäre. Leider hat sich dieser Wunsch bis zum Schluss nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil: Das Ende, das eher plötzlich und knapp erfolgte, verstärkte dieses Gefühl nur noch.