Friedhof der Unschuldigen -Ein Jahr des Realen und der Fiktion

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**Friedhof der Unschuldigen - Ein Jahr des Realen und der Fiktion**** Das Buch:** Autor Andrew Miller, 384 Seiten, Preis 21,90€, Verlag Paul Zsolnay, 29. Juli 2013, ISBN 9783552056442, Originaltitel "Pure" Verlag Hodder & Stoughton 09. Juni 2011. Andrew Miller wurde für dieses Buch mit dem \>\>Costa Book AwardInhalt: Der Junge Jean-Baptiste Baratte erhält 1785 im Schloss von Versailles von einem Minister den Auftrag den "Friedhof der Unschuldigen" samt Kirche zu beseitigen und die Gebeine der Toten umzufrieden. Der Friedhof ist seit nunmehr fünf Jahren geschlossen, da er hoffnungslos überfüllt und durch die daraus resultierenden Vorkommnisse unhaltbar geworden ist. Mit seinen Ausdünstungen verseucht er halb Paris, Lebensmittel verderben und selbst der Atem der unmittelbaren Nachbarn riecht danach. Obwohl Jean-Baptiste sich nach seinem Studium, seiner Arbeit als Ingenieur im Bergwerk von Valencienna und dem Bau einer kleinen Brücke mehr erhofft hat, nimmt er diesen "merkwürdigen" Auftrag an. Bleibt ihm auch eine andere Wahl? In Paris angekommen wohnt er unmittelbar am Friedhof bei der Familie Monnard, deren Tochter Ziguette noch eine entscheidende Rolle im Leben des jungen Mannes spielen wird. Er lernt sogleich den Organisten der Kirche, Armand Saint Meard, kennen und wird von diesem, in die für ihn noch fremde Pariser Gesellschaft mit ihren Gepflogenheiten eingeführt. Er begreift sehr schnell wie gross die ihm übertragene Aufgabe, die Beseitigung der Toten und Abriss der Kirche, wirklich ist. Mit Hilfe seines Freundes aus Bergwerkszeiten Lecour und dreißig weiteren handverlesenen Bergleuten aus Valencienna gelingt es Jean-Baptiste den Friedhof zu beseitigen, d. h. die Armengräber müssen nach und nach unter schwersten Bedingungen ausgehoben, die Knochen gestapelt und in späteren Prozessionen zu einem geweihten Stollen gebracht werden. Die Arbeit der Männer ist gefährlich und wird von ihnen nur nach mehrmaliger Nachbesserung der Arbeitsbedingungen ausgeführt. Unterstützung bei seiner schweren Aufgabe erhält er u. a. von seinem Freund Lecoeur (auch dieser nimmt noch eine entscheidende Rolle ein), Armand dem Organisten, Heloise der geheimnisvollen Österreicherin und Jeanne, der Enkelin des Totengräbers Manetti. Doch es gibt Opfer, Dinge geschehen, mit denen Jean-Baptiste nicht gerechnet hat und die beinahe die Räumung des Friedhofs verhindern oder sogar zunichtemachen. Jean-Baptiste lernt in dieser Zeit auch das nahen der französischen Revolution kennen, Männer die Nächtens Parolen an Wände schmieren und ihn versuchen in ihre politischen Aktivitäten mit einzubeziehen...... **Der Autor:** Andrew Miller wurde am 29. April 1960 in Bristol (England) geboren. In den Jahren 1991-1995 hat er "Modernes Schreiben" studiert. Nach vielen Stationen im Ausland lebt er derzeit mit seiner Tochter in Somerset. Sein erstes Werk "Die Gabe des Schmerzes" erschien 1998 und wurde sogleich mit dem \>\>Impac Dublin Literary AwardDas Buch: Andre Miller zeichnet in seinem Roman "Friedhof der Unschuldigen" ein Bild vom vorrevolutionären Paris des 18. Jahrhunderts, in das er den Leser auf einer leichten, klaren Weise hineinversetzt. Er entführt in dunkle Gassen, zeigt das freizügige Leben der Pariser Bevölkerung und schildert anschaulich die hygienischen Gepflogen- und Gegebenheiten der damaligen Zeit, wie das Urinieren an eine Hauswand oder die Freizügigkeit der Pariser "Damen". Durch seine Liebe zum Detail kann man dieses Paris nicht nur erlesen, sondern man fühlt sich selbst in diese Zeit zurückversetzt, man kann es förmlich vor sich sehen. Er überbordet den Leser nicht mit einer allzu genauen Geschichtstreue und Begriffen der damaligen Zeit. Millers Roman hat eigentlich zwei Stränge, die er geschickt zusammenführt. Der Leser erhält Einblicke in das Leben von Jean-Baptiste und seiner Suche nach sich selbst. Nach den ersten Wochen in Paris mit neuen und auch teilweise verwirrenden Eindrücken, seinem "Heimaturlaub" und einem Mordanschlag auf ihn, sieht er die Welt oder seine Selbstverwirklichung mit anderen Augen. Er erkennt, dass sein Traum vom "Perfekten" eine Illusion ist und auch nie in Erfüllung gehen wird. Nur die Liebe zu Heloise, der Österreicherin, lässt ihn nicht verzagen und hat einen maßgeblichen Anteil am Gelingen seiner Arbeit. Auf der anderen Seite sehen wir das vorrevolutionäre Paris. Bewohner, die trotz aller Widrigkeiten, mit sich, der Regierung und nicht zu letzt dem Friedhof unter ihnen zufrieden sind. Aber es gibt auch "Andersdenkende", freigeistige Leute. Da ist z.B. Armand, Organist von Saint Innocents, der sich regelmäßig mit anderen Gleichgesinnten trifft. Sie wollen ein freieres, offeneres Paris bzw. Frankreich und sind bereit dafür etwas zu tun. Anfänglich sind es nur Parolen, die sie Nächtens an Wände und Mauern schmieren. Armand und seine Leute verstehen es andere für sich und ihre Sache zu begeistern, sie nutzen sogar die Arbeiten auf dem Friedhof für ihre Zwecke. Es ist eine Zeit des Vergänglichen, des Umbruchs. Natürlich darf man den "Friedhof der Unschuldigen" nicht vergessen, der Schauplatz und tragendes Element des Romans ist und beide Stränge zusammenhält. Einen Friedhof der "schon immer" ein Teil von Paris war, mit seinen kirchlichen und abergläubigen Aspekten kann man nicht so einfach beseitigen, ohne auf Widerstände zu treffen. Aber es ist ein Paris im Wandel und so ändern sich auch die Meinungen der Leute recht schnell, als sie erkennen welche Vorteile sich daraus ergeben. Die Geschichte um Jean-Baptiste bleibt offen, wie ist sein weiterer Werdegang, hat er Zukunft mit der "Österreicherin", wird er der berühmte Baumeister, der er immer sein wollte oder kehrt er letztendlich doch zurück zu seinen Wurzeln? **Der Elefant:** Der (weintrickende) Elefant im Versailler Schloss, der am Anfang des Buches im Dialog zwischen Jean-Baptiste und dem Minister erwähnt wird (Seite 12), findet sich erst am Ende des Buches wieder (Seite 381) leider mit dem Tod des Elefanten. Was anfangs wie eine Anekdote eingefügt war ist ein geschickter Verweis auf die Vergänglichkeit. **Cover:** Das Cover ist außergewöhnlich und in seiner Farbgestaltung (schwarz, grün und ein Hauch von Gelb) einfach gehalten, wirkt aber auf Grund des gezeigten bedrückend. Man sieht den jungen Ingenieur Jean-Baptiste Baratte, nach wohl erschöpfender Arbeit, schlafend am Tisch sitzen. Ihn umkreisen Raben/Krähen, damals wie heute Sinnbild für Unheil und Tod (Todesvögel). **Fazit: ** Millers Buch liest man nicht an einem Stück. Es ist nicht geschaffen für am Strand oder in der Straßenbahn gelesen zu werden. Details, Geschehnisse, Personen und Eindrücke wollen verarbeitet werden und dazu braucht man die dafür notwendige Zeit und Umgebung. Der Roman eignet sich nicht nur für den historisch interessierten Leser, sondern auch für den Bücherfan mit ansonsten anderen Vorlieben. Durch seinen Schreibstil, der anfangs vielleicht gewöhnungsbedürftig ist, findet man sich schnell zurecht. Miller hält den Spannungsbogen über lange Strecken aufrecht und kann einen somit in die Geschichte hineinziehen oder auch um Jahrhunderte zurückversetzen. ** Ursprung:** Der "Friedhof der Unschuldigen" ist ein zur damaligen Zeit real existierender Schauplatz, mit all seinen Unannehmlichkeiten. Die namensgebende Kirche, Aux Saints Innocents (benannt nach dem Fest der "unschuldigen Kinder"), wurde im Jahr 1786 abgerissen. Der Brunnen "Fontaine des Innocents" befindet sich nach seiner Verlegung auf einem beliebten Platz des heutigen Paris, dem Square des Innocents. Wie schon erwähnt macht das Buch neugierig und so findet man im Internet die ein oder anderen interessante Seite, siehe nachstehende Links: Bedingungen ausgehoben, die Knochen gestapelt und in späteren Prozessionen zu einem geweihten Stollen gebracht werden. Die Arbeit der Männer ist gefährlich und wird von ihnen nur nach mehrmaliger Nachbesserung der Arbeitsbedingungen ausgeführt. Unterstützung bei seiner schweren Aufgabe erhält er u. a. von seinem Freund Lecoeur (auch dieser nimmt noch eine entscheidende Rolle ein), Armand dem Organisten, Heloise der geheimnisvollen Österreicherin und Jeanne, der Enkelin des Totengräbers Manetti. Doch es gibt Opfer, Dinge geschehen, mit denen Jean-Baptiste nicht gerechnet hat und die beinahe die Räumung des Friedhofs verhindern oder sogar zunichtemachen. Jean-Baptiste lernt in dieser Zeit auch das nahen der französischen Revolution kennen, Männer die Nächtens Parolen an Wände schmieren und ihn versuchen in ihre politischen Aktivitäten mit einzubeziehen...... **Der Autor:** Andrew Miller wurde am 29. April 1960 in Bristol (England) geboren. In den Jahren 1991-1995 hat er "Modernes Schreiben" studiert. Nach vielen Stationen im Ausland lebt er derzeit mit seiner Tochter in Somerset. Sein erstes Werk "Die Gabe des Schmerzes" erschien 1998 und wurde sogleich mit dem \>\>Impac Dublin Literary AwardDas Buch: Andre Miller zeichnet in seinem Roman "Friedhof der Unschuldigen" ein Bild vom vorrevolutionären Paris des 18. Jahrhunderts, in das er den Leser auf einer leichten, klaren Weise hineinversetzt. Er entführt in dunkle Gassen, zeigt das freizügige Leben der Pariser Bevölkerung und schildert anschaulich die hygienischen Gepflogen- und Gegebenheiten der damaligen Zeit, wie das Urinieren an eine Hauswand oder die freizügigkeit der Pariser "Damen". Durch seine Liebe zum Detail kann man dieses Paris nicht nur erlesen, sondern man fühlt sich selbst in diese Zeit zurückversetzt, man kann es förmlich vor sich sehen. Er überbordet den Leser nicht mit einer allzu genauen Geschichtstreue und Begriffen der damaligen Zeit. Millers Roman hat eigentlich zwei Stränge, die er geschickt zusammenführt. Der Leser erhält Einblicke in das Leben von Jean-Baptiste und seiner Suche nach sich selbst. Nach den ersten Wochen in Paris mit neuen und auch teilweise verwirrenden Eindrücken, seinem "Heimaturlaub" und einem Mordanschlag auf ihn, sieht er die Welt oder seine Selbstverwirklichung mit anderen Augen. Er erkennt, dass sein Traum vom "Perfekten" eine Illusion ist und auch nie in Erfüllung gehen wird. Nur die Liebe zu Heloise, der Österreicherin, lässt ihn nicht verzagen und hat einen massgeblichen Anteil am Gelingen seiner Arbeit. Auf der anderen Seite sehen wir das vorrevolutionäre Paris. Bewohner, die trotz aller Widrigkeiten, mit sich, der Regierung und nicht zu letzt dem Friedhof unter ihnen zufrieden sind. Aber es gibt auch "Andersdenkende", freigeistige Leute. Da ist z.B. Armand, Organist von Saint Innocents, der sich regelmässig mit anderen Gleichgesinnten trifft. Sie wollen ein freieres, offeneres Paris bzw. Frankreich und sind bereit dafür etwas zu tun. Anfänglich sind es nur Parolen, die sie nächtens an Wände und Mauern schmieren. Armand und seine Leute verstehen es andere für sich und ihre Sache zu begeistern, sie nutzen sogar die Arbeiten auf dem Friedhof für ihre Zwecke. Es ist eine Zeit des Vergänglichen, des Umbruchs. Natürlich darf man den "Friedhof der Unschuldigen" nicht vergessen, der Schauplatz und tragendes Element des Romans ist und beide Stränge zusammenhält. Einen Friedhof der "schon immer" ein Teil von Paris war, mit seinen kirchlichen und abergläubigen Aspekten kann man nicht so einfach beseitigen, ohne auf Widerstände zu treffen. Aber es ist ein Paris im Wandel und so ändern sich auch die Meinungen der Leute recht schnell, als sie erkennen welche Vorteile sich daraus ergeben. Die Geschichte um Jean-Baptiste bleibt offen, wie ist sein weiterer Werdegang, hat er Zukunft mit der "Österreicherin", wird er der berühmte Baumeister, der er immer sein wollte oder kehrt er letztendlich doch zurück zu seinen Wurzeln? **Der Elefant:** Der (weintrickende) Elefant im Versailler Schloss, der am Anfang des Buches im Dialog zwischen Jean-Baptiste und dem Minister erwähnt wird (Seite 12), findet sich erst am Ende des Buches wieder (Seite 381) leider mit dem Tod des Elefanten. Was Anfangs wie eine Anekdote eingefügt war ist ein geschickter Verweis auf die Vergänglichkeit. **Cover:** Das Cover ist aussergewöhnlich und in seiner Farbgestaltung (schwarz, grün und ein Hauch von Gelb) einfach gehalten, wirkt aber auf Grund des gezeigten bedrückend. Man sieht den jungen Ingenieur Jean-Baptiste Baratte, nach wohl erschöpfender Arbeit, schlafend am Tisch sitzen. Ihn umkreisen Raben/Krähen, damals wie heute Sinnbild für Unheil und Tod (Todesvögel). **Fazit: ** Millers Buch liest man nicht an einem Stück. Es ist nicht geschaffen für am Strand oder in der Strassenbahn gelesen zu werden. Details, Geschehnisse, Personen und Eindrücke wollen verarbeitet werden und dazu braucht man die dafür notwendige Zeit und Umgebung. Der Roman eignet sich nicht nur für den historisch interessierten Leser, sondern auch für den Bücherfan mit ansonsten anderen Vorlieben. Durch seinen Schreibstil, der Anfangs vielleicht gewöhnungsbedürftig ist, findet man sich schnell zurecht. Miller hält den Spannungsbogen über lange Strecken aufrecht und kann einen somit in die Geschichte hineinziehen oder auch um Jahrhunderte zurückversetzen. ** Ursprung:** Der "Friedhof der Unschuldigen" ist ein zur damaligen Zeit real exestierender Schauplatz, mit all seinen Unanehmlichkeiten. Die namensgebende Kirche, Aux Saints Innocents (benannt nach dem Fest der "unschuldigen Kinder"), wurde im Jahr 1786 abgerissen. Der Brunnen "Fontaine des Innocents" befindet sich nach seiner Verlegung auf einem beliebten Platz des heutigen Paris, dem Square des Innocents. Wie schon erwähnt macht das Buch neugierig und so findet man im Internet die ein oder anderen interessante Seite, siehe nachstehende Links: http://www.zeit.de/1995/02/Im\_Reich\_des\_Todes Artikel "Im Reich des Todes" von Martin Glauert aus 1995, erschienen bei Zeit-Online http://grande-boucherie.chez-alice.fr/Truschet-Boucherie-Beauvais.jpg Übersicht (Ausschnitt) des damaligen Schauplatzes http://grande-boucherie.chez-alice.fr/Innocents.htm Bilder zum Friedhof und Kirche http://de.wikipedia.org/wiki/Cimetière\_des\_Innocents Wissenswertes und weiterführende Links