Konfuses Familiendrama und ein paar Pferde

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grizzlybärchen Avatar

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**Inhalt**
Franzi lebt mit ihrer Großmutter auf dem Gestüt der Familie, das sie eines Tages übernehmen soll. Ihre Großmutter sähe dafür aber lieber noch einen Mann an Franzis Seite. Am liebsten Jo Berendes vom Nachbargestüt, doch der ist so gar nicht nach Franzis Geschmack. Viel interessanter ist da Luke, der sein Leben dort führt, wo es ihn gerade hintreibt und zwischen ihnen knistert es gewaltig….

**Meine Meinung**
Beim Betrachten des Covers bekommt man doch gleich Urlaubsstimmung: Sonne, Strand, das Meer und ein toller Ausritt in den Wellen.
Könnte man meinen. Irgendwie kam davon aber nichts in der Handlung an. Ja, sie spielt an der Nordsee, in Friedrichskoog um genau zu sein, also ist der geografische Rahmen schon mal gegeben. Dies klang auf den ersten Seiten auch an, rückte dann aber mehr und mehr in den Hintergrund. Ferienfeeling adé. Vielmehr bekamen wir ein verwirrendes Familiendrama aufgetischt, das umrandet wurde von ein paar konstruierten Liebeleien.
Aber beginnen wir von vorn.
Franzi ist die Hauptfigur dieser Geschichte. Sie ist ein Pferdenarr, liebt es auszureiten und soll eines Tages das Gestüt ihrer Großmutter übernehmen. Sie sollte wohl als selbstbewusste Person rüberkommen, leider ist das überhaupt nicht gelungen. Sie wirkte eher wankelmütig, verweichlicht und flach.
Gleiches gilt für Jo und Luke. Beide kommen erst sehr charakteristisch rüber. Ich wusste, wie ich sie einordnen sollte und wollte mich mit ihnen anfreunden. Aber dann erschien es, als hätte man nicht mehr sonderlich viel Wert auf eine eigene Persönlichkeit gelegt. Beide wirken weichgespült und flach, sodass mir als Leser mehr als einmal die Fragezeichen im Gesicht standen, weil ich mich immer wieder fragte, was das denn nun sollte.
Das war dann aber irgendwie auch die Grundstimmung, die ich beim Lesen des Buches hatte. Denn die Emotionen wirkten einfach nur unmenschlich. Es gab mehrere Momente, wo unseren Figuren große Offenbarungen gemacht wurden. Da hatte ich immer wieder im Hinterkopf, wie ich wohl reagiert hätte, aber unsere Protas handeln ganz anders. Einfach wie einmal den Reset-Knopf gedrückt und die Welt ist wieder Friede-Freude-Eierkuchen. Wut, Trauer, Verzweiflung… was ist das? Ich weiß ja nicht, wie es bei euch wäre, aber ich fände es schon etwas fraglich, wenn ich erfahren würde, dass eine mir nahe stehende Person sich an den Ehepartner des eigenen Geschwisterchens rangemacht hätte, oder wenn eben diese Person Kleinkinder mit Alkohol abgefüllt hat, nur um Ruhe zu haben… Aber gut, ist meine Meinung, vielleicht ticke ich ja anders, aber ich bräuchte wohl ein bisschen, um das sacken zu lassen und könnte der Person dann nicht gleich freudestrahlend um den Hals fallen…
Ungefähr so verhielt es sich aber in einigen Situationen und irgendwann konnte ich die Handlung gar nicht mehr nachempfinden. Sie ist einfach fernab von normalen menschlichen Reaktionen.

Ähnlich befremdlich wirkte die Familientragödie. Aber diesbezüglich erstmal das Positive: Hier ist schon etwas Spannung gegeben, denn es bleibt lange undurchsichtig, was hier einmal passiert ist und wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Durch die Spannung stellt sich auch ein guter Lesefluss ein, der die Geschichte angenehm zu lesen macht.
Dennoch wirkt das Ganze ziemlich konstruiert und künstlich aufgebauscht, was eben auch der emotionalen Ebene geschuldet ist.

**Fazit**
Das vom Cover versprochene Sommerfeeling kommt leider nicht auf. Vielmehr erleben wir eine künstlich aufgebauschte Familienfehde, die durch platte Charaktere belebt werden soll. Klappt leider nur bedingt.