Kita-Odyssee

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mythenmetzfan Avatar

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Anna und Daniel Wiedemann berichten in ihrem gemeinsamen Buch „Fuck you, Kita!“ aus ihrem eigenen Leben und dabei von der nervenaufreibenden Suche nach einem Kita-Platz im Herzen Berlins. Als andere Eltern ihnen davon berichteten, dass sie ihr Kind schon bevor es auf der Welt war auf mehreren Kita-Wartelisten eintragen ließen, mussten die Wiedmanns noch lachen. Als aber dann Anna überraschend ein verfrühtes Jobangebot bekam und schon mehrere Monate früher als geplant wieder in die Schule gehen sollte (sie war Gymnasiallehrerin), da verging ihnen das Lachen schnell. Nun hatten sie nur noch etwa zwei Monate Zeit ihren Sohn Gustav in einer Kita unterzubringen. Und es sollte natürlich auch nicht irgendeine Kita sein: Sie sollte möglichst auf Daniels Arbeitsweg, oder nicht zu weit davon entfernt liegen, denn er war für das Bringen am Morgen zuständig. Außerdem hatten die Wiedemanns natürlich die gleichen Sorgen, wie sie alle jungen Eltern haben: Es sollten liebevolle Betreuerinnen in der Kita sein, es sollte genug aber nicht zu viel und natürlich auch gesundes Essen geben, usw. Allerdings wurden alle hohen Ansprüche mit der Zeit über Bord geworfen, als klar wurde, dass ein freier Kitaplatz dann, wenn man ihn brauchte und dort, wo man ihn wollte, in Berlin unwahrscheinlicher war, als ein Sechser im Lotto. Anna und Daniel gingen sogar so weit, in einer chinesischen Kita anzufragen, doch als deutlich wurde, dass dort Elternabende nur auf Mandarin abgehalten wurden, war auch das keine Option mehr. Manchmal ging Anna dazu über, bei Vorstellungsabenden die große und leidenschaftliche Bäckerin zu spielen und Daniel mimten den perfekten Handwerker, aber alles Einschleimen half nichts: Es war kein Platz frei und wenn man auf eine Warteliste kam, dann wurde diese innerhalb kürzester Zeit wieder aufgelöst und eine neue begonnen, sodass man wieder umsonst gehofft hatte. Ich will das Ganze ein wenig abkürzen: Gustav bekam letztendlich noch rechtzeitig einen Platz in einer Kita, die wirklich perfekt auf Daniels Weg zur Arbeit lag, und das Prozedere von Vorstellung bis zu Gustavs erstem Tag in der Kita dauerte schließlich nicht einmal zwei Wochen. Und seinen Platz hatte Gustav eigentlich selbst gefunden: Dadurch, dass er so begeistert von Baustellen, Baggern und schweren Geräten war, konnte kein Spaziergang und kein Nachmittag ohne Baustellenbesuch vergehen. Und dort an einer solchen Baustelle, mit einem großen gelben Bagger, kam Anna mit der Mutter eines anderen baustellenverrückten Kindes ins Gespräch, die meinte, dass sie von einer Kita gehört habe, die gerade erst gebaut würde, und die wohl erst etwas später als geplant eröffnen würde, sodass sie für viele Eltern, die dort schon einen Platz reserviert hatten, nicht mehr in Frage käme. Doch der Zeitpunkt der Eröffnung war für die Wiedemanns gerade perfekt. Und so verlor Anna keine Zeit und rief sofort in dieser Kita an: Natürlich wieder Anrufbeantworter und Warteliste, aber man höre und staune, dieses Mal wurde sie sogar zurückgerufen und Gustav hatte einen festen Platz in der Kita! Nachdem auch die anschließende Besichtigung der Kita mit großem Garten (!) und netten Betreuerinnen gut verlaufen war, war klar: Die lange und nervenzerreißende Suche war endlich vorüber. Nach dieser Erleichterung (die Suche nimmt ungefähr zwei Drittel des Buches in Anspruch) folgen noch interessante und lustige Anekdoten aus der Eingewöhnungszeit, aus dem Alltag in der Kita und zu Hause. Das Buch endet schließlich mit der Geburt von Gustavs kleiner Schwester und der Gewissheit und Erleichterung, dass sie als Geschwisterchen einen Platz in Gustavs Kita schon von Geburt an sicher haben würde.

Alles in allem ein interessantes und amüsantes Buch für alle werdenden Eltern und alle, die es noch werden wollen. ;-) Aber es ist bestimmt auch die eine oder andere Szene dabei, die Eltern und Großeltern, die das alles schon hinter sich haben, schmunzeln lassen wird. Für mich, die ich in ländlicher Umgebung aufgewachsen bin, mit einem Kindergarten im Dorf, in dem der Pfarrer bei der Eröffnung des neuen Raumes für unter Dreijährige, noch Werbung machen muss, dass sich die jungen Ehepaare doch bitte etwas mehr anstrengen sollten, damit man den Kindergarten nicht in ein paar Jahren würde schließen müssen, ist dieses Buch besonders interessant. Hier werde ich bestimmt nie auf die Idee kommen, meine zukünftigen Kinder schon vor ihrer Geburt auf eine Warteliste setzen zu lassen, oder sie in einen chinesischen Kindergarten zu stecken. Bei mir wird eher die Gefahr sein, dass ich in Nachbardörfern, oder sogar in der nächsten Stadt anfragen muss, weil es unseren Kindergarten aus Kindermangel nicht mehr geben wird. So unterscheiden sich die Probleme, je nach Wohngebiet.

 

Das Buch ist sehr angenehm, realistisch und oft sehr anschaulich und humorvoll erzählt. Dadurch, dass Anna und Daniel abwechselnd einzelne Kapitel schreiben und aus ihrem Alltag berichten, wird es nie langweilig, und immer andere Probleme und Sichtweisen kommen auf den Plan. Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen und ein kurzweiliges Lesevergnügen bereitet.