Sex sells?

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hybris Avatar

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Ersteindruck vor der Lektüre:

"Seit '50 shades of grey' boomt das Genre der Erotikliteratur (für Frauen). Dieser Trend wird im Englischen mit "mummy porn" umschrieben.
"Fucking Fulda" scheint mir auf dieser Erfolgswelle mitzusurfen.
Der Titel des Romans ähnelt " Fucking Berlin" von Sonia Rossi.
Die Protagonistin ist eine Eisenbahnerin, die mitunter Lehrlinge verführt.
Dies erinnert an den plot von Bernhard Schlinks " Der Vorleser", in welchem die Schaffnerin Hannah einen Teenager verführt.
Sprachlich ist "Fucking Fulda" wenig blumig. Auch das Cover zeichnet sich nicht durch eine florale Symbolik aus & wirkt dadurch fast ein wenig ordinär.
Nicole langweilt sich in ihrer Ehe, ihren erotischen Kick holt sie sich längst woanders.
Und so "turnt" sich Nicole durch die Republik...
"Fucking Fulda" müsste man lesen, um zu erkennen, ob der Roman auch etwas Eigenständiges zu bieten hat, oder ob es sich nur um eine Collage aus altbekannten Elementen handelt."

Fazit nach der Lektüre:

Optik: Das Cover wirkt ein wenig ordinär und lässt gleich erahnen, worum es geht. Blümchen, Vaginalsymbolik ? Fehlanzeige.

Stil und Inhalt:

Es fällt schwer, den Roman zu bewerten. Er ist weder gut noch schlecht. Positiv ist zu beurteilen, dass die Protagonistin Nicole kein staunendes Mauerblümchen ist, welches sich von einem reichen Schnösel "die Welt (und Erotik)" erklären lässt, wie in "Shades of Grey". Fans von E.L. James werden an "Fucking Fulda" keine Freunde haben, da es sich mitnichten um ein Erotikmärchen handelt.
Dem Vergleich zum "Vorleser" von Schlink kann der Roman aber nicht standhalten, trotz der einen offensichtlichen Gemeinsamkeit (Schaffnerin Hannah vs. Schaffnerin Nicole). Schlinks Buch weist eine sprachliche und inhaltliche Komplexität auf (obschon ich die Moral äusserst fragwürdig finde - Unwissenheit und Analphabetismus führten zu Mord), die Frederiks Roman absolut vermissen lässt.
Des weiteren fand ich die Figurenzeichnung im Roman absolut klischeehaft: Nicole ist eine sportliche, kernige und pragmatische "Macherin", ihr Mann Stefan hingegen ein Philosoph, der sich nicht zwischen "Promotion und Taxischein" entscheiden kann. Also wird es Hausmann. Sein "Trieb ist eher schwach" ausgeprägt, Nicole ist die Hauptverdienerin, die stark triebgesteuert ist. Eros = Vita.
Geht's noch platter ?

In derart "küchenpsychologischer " Manier geht es durch's ganze Buch:
Nicoles Gespielen sind Typen - der Prof, der einen Putzfetisch hat, und sich nur nach seiner Amme sehnt, der Masseur, der ein eitler Geck ist, der begierige Lehrling, der rohe Maurer und - last but not least - der "Tyrannus" Topmanager, der als Ausgleich zum Megajob wahlweise gern devot oder sadistisch ist.
Stefan und Nicole hingegen führen eine Wochenendbeziehung mit 2 Kindern, die sexlos ist. Am Rande sinniert Nicole, welch Glück es doch sei, den "besten Freund" zum Ehemann zu haben, und am Ende "geht doch noch was".
Gewissensbisse wegen eines Betrugs werden nicht thematisiert, beim Abend mit Freunden outet sich Stefan halb scherzhaft, halb ernst, als Bordellgänger. Es gibt Anklänge zur Reflexion, diese werden aber nur angeschnitten und nicht ausgeführt.

Vom sprachlich - stilistischen Aspekt her ist das Buch anspruchslos, aber man kann es zügig lesen. Manchmal fand ich es unfreiwillig komisch, wenn von "Glocken" die Rede war oder von Nicoles "galoppierendem Herzen".

Conclusio:

Der Roman ist nicht tiefgründig oder tiefsinnig. Sinnlich fand ich ihn auch nicht besonders, dies ist aber wohl Geschmackssache und muss nicht für alle Leser gelten.
Das Buch ist eher was zum "Weglesen" und etwa für lange Zugreisen geeignet. Es regt weder zum Nachdenken noch zur Analyse an, dies wird aber nicht die Intention der Autorin gewesen sein.
Am Ende gibt es ein happy ending: "Fremdgehen mit dem eigenen Mann".

Der Roman ist ein eher oberflächliches Buch, das inhaltlich einer Momentaufnahme gleicht.