Emotion gefolgt von Gefühl

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elkev Avatar

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Es ist mehr als zeitgemäß und notwendig das Thema der Emotion in unserer heutigen völlig übermeditarisierten Welt aufzugreifen, in der bereits im Rahmen der Leistungsgesellschaft das Ideal- Baby, wie sehr zutreffend von der Autorin beschrieben, durch möglichst wenige Spuren im eigenen Erleben und dem seiner Eltern Aufsehen erregt. Ich habe mich beim Lesen gefragt, wieviel elterliches und pädagogisches Eingreifen bei der Auslebung der kindlichen Emotionen sinnvoll ist und vor allem, wie wir unseren Kindern beibringen ihre erlebten Gefühle als etwas Kostbares und Wegweisendes wahrzunehmen, insgesamt ohne negative Bewertung, auch gerade dann wenn es um die eher als nicht angenehm wahrgenommenen Empfindungen geht.

Das Beispiel mit der Freundin namens Christiane, die nach einem scheinbar gut verlaufenen Bewerbungsgespräch die Stelle dann doch nicht antritt, hinkt ein wenig, da es hier eher um Intuition, als um Emotion geht. Ich finde es auch schwierig auf Grund amerikanischer Studien auf die gesamte westliche Welt zu schließen, da wir, denke ich, in Europa nochmals mit gewissen Themen wie körperlicher Liebe einen anderen Umgang pflegen, was auch kulturellen und religiösen Einflüssen geschuldet ist.

Mir fehlt auch die Erwähnung einer ursächlichen Miteinflussnahme der epigenetischen Auswirkungen durch die traumatischen Erlebnisse der Kriegsgeneration und ihre Folgen, die diese heute auf unser Gefühlsleben als z.B. Kriegsenkel haben. Durch die aktuellen Lockdowns werden solche Prozesse der innenern Abschottung und Verdrängung scheinbar neu aktiviert. Das zum Beispiel Horten von Lebensmittel vor dem ersten Lockdown legt die bereits erlebte Angst unserer Eltern und Großeltern frei, erneut existenziell bedroht sein zu können. Die von der Autorin angesprochene "Schlecht-Drauf-Sein- Mentalität der Deutschen" sollten auch mit diesem Hintergrund betrachtet werden.

Insgesamt ist das Buch sehr ansprechend geschrieben, mit entsprechenden Beispielen verständlich erklärend.

Anhand des Covers kann sich der/die Lesende überlegen, welche Emotion sich hinter dem Gesichtsausdruck von Frau Dr. Welding wohl verbirgt. Mir hätte ein bewegtes Cover gemäß der Bedeutung des Wortes "Emotion" besser gefallen.