Ganz anders als ich dachte, aber so schön

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dj79 Avatar

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Liebhaber von altem Handwerk oder Freunde des Ursprünglichen und Natürlichen werden die Optik dieses Romans mögen. Der Schutzumschlag wirkt, als hätte jemand die Tiroler Bergwelt auf ein gehobeltes Brett skizziert und dann den Titel aufgestempelt. Nimmt man den Umschlag ab, hält man ein schön gemasertes Brett in den Händen. Ich finde die Aufmachung sehr ansprechend.

Inhaltlich war der Roman ganz anders aufgebaut als ich gedacht hatte. Ich war davon ausgegangen, dass die Protagonistin in Erinnerungen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen im Mai schwelgt. Weit gefehlt, die Ich-Erzählerin greift fünf besondere Tage im Mai aus unterschiedlichen Lebensjahren für ihre Geschichte auf. Die Lücken dazwischen werden bewusst ausgelassen, können durch den Leser gedanklich ausgefüllt werden. Kleine Rückblicksequenzen sorgen für ein gutes Verständnis.

Für mich war Illys Aufwachsen und Erwachsenwerden auch ein Eintauchen in eigene Erinnerungen, mit aus Elternsicht merkwürdigen Freunden, modischen Aussetzern und phasenweise „Bocklosigkeit“. Ich mochte Illy wirklich gern. Sie ist nicht annähernd perfekt, hat ein Händchen für Fettnäpfchen, also ein ganz normales „Pubertier“. Insbesondere die Beziehung zu ihrem Urgroßvater Tat‘ka habe ich als etwas Wunderbares empfunden. Sie verstehen sich auch ohne Worte, geben einander Geborgenheit, müssen sich die Unzulänglichkeiten des jeweils anderen nicht vorhalten. Somit hat sich die zu Beginn durchschnittliche Geschichte mit jedem Kapitel gesteigert. Zum Ende hin hatte ich mit Tränen zu kämpfen, weil da so viel Zuneigung und Liebe zwischen den beiden zu spüren war.

Etwas irritiert haben mich die Zeitangaben. 1986 hatte Illy Erstkommunion, zwölf Jahre später, 1998, war sie dann in der 7. Klasse am Gymnasium. Ich gehe davon aus, dass in Tirol die Einteilung der Klassen einfach anders gezählt wird als ich es kenne. Komisch kam mir auch vor, dass Illy als Tochter von Geschäftsleuten 2004 noch einen Walkman mit Kassette benutzt.

Insgesamt hat es mir „Fünf Tage im Mai“ gut gefallen, starke Gefühle ohne Kitsch. Ich empfehle den Roman gern weiter, insbesondere den in den 1980ern Geborenen.