Holz arbeitet

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
amara5 Avatar

Von

"Fünf Tage im Mai", der rund 220 Seiten lange Debütroman von Elisabeth R. Hager, ist im Klett-Cotta-Verlag erschienen.
Im Zentrum steht die warmherzige Beziehung zwischen Illy und ihrem rund 75 Jahre älteren Urgroßvater Korbinian Hofer, von ihr liebevoll Tat'ka (Väterchen) genannt - fast Dorfältester und der letzte Fassbinder Tirols.

Gegliedert in fünf Kapiteln, die exemplarisch fünf Tage innerhalb 18 Jahren der beiden aufzeigen, sieht man Illy beim Erwachsenwerden in einem Tiroler Dorf zu. Was nach Idylle aussieht, hat auch seine Tücken, denn die Enge und Sturheit im Dorf machen Illy innerlich starr und ihre Beziehung zu den Eltern ist eher von Sprachlosigkeit und Sorge gekennzeichnet. Tat'ka verkörpert für Illy Halt, Geborgenheit und Lebensweisheit - mit dem grauen Filzhut auf dem Kopf, dem spitzbübisches Lächeln im Gesicht und den Aussprüchen "Servus, Kasper" und "Reintei, freintei!". Tat'ka, der sich die Zähne um Geld zu sparen, lieber mit Zeitungspapier putzt bis Buchstaben auf den Schneidezähnen kleben und die Form Österreichs im Atlas mit einer Hähnchenkeule vergleicht.
Als ihre erste große Liebe zu Tristan später sehr tragisch endet, überstürzen sich die Ereignisse und Illy flieht vor ihren (Schuld-)gefühlen weit weg von ihrer Heimat - um später, zu dem 100. Geburtstag von Tat'ka zurückzukehren. Ein weiterer Verlust lässt sie sich ihrem inneren Korsett von aufgestauten Gefühlen und Schmerz stellen, um dann weicher weitergehen zu können.

Die fünf Tage im Mai fangen mit einer herrlich komischen Erstkommunion von Illy an. Das Mädchen hat eine sehr lebendige Fantasie und die Beschreibung der Erstkommunion aus ihrer Sicht ist einfach grandios, witzig und zugleich liebevoll zu lesen. Man ist sofort bildhaft in der bunten Vorstellungskraft des sehr aufgeweckten, beobachtungsstarken Mädchens und auch bei den Schuldgefühlen, die es schon jeher plagen.
Die Autorin Elisabeth R. Hager ist eine sensible Beobachterin und fängt die starke Gefühlswelt von Illy sehr souverän ein - auch wenn es später tragisch wird, "falsche" Freunde, Drogen und Alkohol dazukommen, werden die Emotionen, der Verlust und der Abschied hoffnungsvoll und so bildhaft beschrieben, dass selbst die Tiroler Berglandschaft miteinfließt. Und das alles passiert nicht plakativ, sondern wunderbar subtil, was lange beim Leser nachhallt.
Denn "wie auch Holz arbeitet", dem Lieblingsmaterial von Tat'ka, arbeiten auch Gefühle in uns, denen wir uns stellen dürfen. Passend dazu hat der Verlag Klett-Cotta das Buch feinfühlig gestaltet, denn unter dem Buchumschlag, der an einen alten Holzschnitt erinnert, befindet sich ein Buchdeckel in zarter Holzfurnieroptik.

Ein wunderbares Debüt über Zerrissenheit, Loslassen, Trauer sowie Verbundenheit und Freundschaft - klug, weise, emotional und mit viel Tiroler Lokalkolorit und Dialekt versehen - ich bin gespannt, was von dieser Autorin noch veröffentlicht wird.