Ganz großes Kino! Sehr lesenswert!

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thirteentwoseven Avatar

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In einer ganz eigenen Art und Weise schildert Gisa Klönne das Leben einer Familie von den 60-ziger Jahren bis in die Jetztzeit. Im Mittelpunkt steht Franziska, die jüngsteTochter des Vermessungsingenieurs Heinrich und seiner Frau Johanne. Sie führt mit ihrer älteren Schwester Monika ein scheinbar behütetes und ungetrübtes Leben bis sie sich als junge Erwachsene der Friedens- und Umweltbewegung anschließt und damit in Konflikt zu ihrer Familie gerät.
Als schwarzes Schaf der Familie, "das nichts zu Ende bringt, für Unordnung sorgt und ständig wegläuft", muss sie sich nach über 30 Jahren Zerwürfnis um den schwer kranken Vater kümmern, da die "perfekte" Schwester mit einem Burn-out in der Klinik liegt. Wird das gelingen?
Das hört sich zunächst mal banal und unspektakulär an, aber Gisa Klönne bringt wirklich "ganz großes Kino". Durch Vor- und Rückblenden und Wechsel der Perspektive von Tochter zu Vater und zurück entsteht eine soghafte Geschichte. Wir erleben Vater Heinrich in den Kriegswirren, hungernd und fast tot, dann als kraftstrotzenden, rationalen Sportler und später als alten, kranken Mann taumelnd, seiner körplichen Kräfte weitestgehend beraubt. Wir erleben die junge Franzika verliebt und kompromislos für Umwelt und Natur kämpfend und dann Jahrzehnte später verlassen und betrogen auf einem Biobauernhof. Alle Einblicke in die Seelen gehen ans Herz und wirken völlig authentisch. Man denkt, so ist es, wenn man alt und krank ist. Man denkt genauso, so ist es, wenn man jung ist und die Welt retten will. Und man denkt auch, besser könnte man es nicht ausdrücken.
Alle Personen handeln aus ihrer Sicht heraus verständlich und nachvollziehbar und doch kommt es zum Zerwürfnis. Die Vergangenheit, Unausgesprochenes und Schicksalsschläge bringen die Familie aus dem Lot. Und obwohl keiner Schuld hat, ist trotzdem ganz viel schief gelaufen. Doch es gibt Hoffnung.

Weltkrieg, Nachkriegs-Wirtschaftswunder, Friedens- und Umweltbewegung, Tschernobyl - all das fließt in die Geschichte ein. Hintergründig vordergründig.

Vordergründig hintergründig ist auch das "Wappentier" des Romans: Der Ameisenbär. Vater Heinrich hat eine Lithografie des Tiers aus dem Krieg gerettet. Jetzt hängt es vor dem gut versteckten Familiensafe. Täglich versucht Vater Heinrich das exotische Tier zu malen. Ein Zeichen seniler Demenz? Oder was hat es damit auf sich und, welche Überraschungen und Familiengeheimnisse enthält der Safe? ... Ich kann nur sagen, das alles macht die ohnehin schon tolle Geschichte auch noch super spannend.

Fazit:
Das Buch "Für diesen Sommer" hat meine Erwartungen weit übertroffen. Es ist beste Unterhaltung, anspruchsvoll, spannend und hoffnungsvoll. Ich kann es nur empfehlen. 4,5 von 5 Sternen, deshalb hier 5.

PS: Wer in den 60-ziger und 70-ziger Jahren geboren ist, wird sich, seine Erinnerungen und vielleicht auch aktuellen Sorgen in diesem Buch ganz besonders wiederfinden.