Highlight

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anna625 Avatar

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Hannes und Polina, Polina und Hannes. Von kleinauf sind sie unzertrenntlich, durchstreifen gemeinsam das Moor, nehmen sich vor morschen Birken in Acht, lungern im Sommer auf der Vortreppe der alten Moorvilla mit Blick auf den Rhabarber herum und lauschen den Klängen des Klaviers, die durch die endlosen Gänge hallen. Auf Außenstehende mag es irritierend wirken, wie sie aufwachsen; sie, die Kinder alleinerziehender Mütter, die in ihren Putzjobs kaum genug verdienen, um über die Runden zu kommen; sie, die eine Kindheit fernab des nächsten Dorfes in den heruntergekommenen Gemäuern und der Obhut des etwas exzentrischen Heinrich Hildebrands führen und barfuß die Gegend durchstreifen. Und doch: Ihnen gehört die Welt. Ihr Leben ist Freiheit.

Doch dann geschieht eines Tages das Unfassbare: ein tragischer Unfall, die Morridylle nimmt ein plötzliches Ende. Hannes muss fort, der einst so innige Kontakt zu Polina fasert aus und bricht irgendwann ab. Die Tage ihrer Kindheit bleiben für Hannes stets wärmende Erinnerung, bis ihm irgendwann bewusst wird: Er braucht Polina. Er muss sie finden. Auch, wenn er dazu seine Schatten überwinden und wieder komponieren muss, wie er es als Kind auf dem alten verstimmten Klavier in der Moorvilla getan hat.

Was für ein Roman! Eine kurze Zusammenfassung wie diese kann dem nicht ansatzweise gerecht werden. Die Einfühlsamkeit, mit der Würger jede einzelne seiner Figuren zeichnet und selbst Nebenfiguren, die nur wenige Male auftreten, einen ganz eigenen, vielschichtigen Charakter verleiht, ist zutiefst beeindruckend und lässt Hannes' Welt lebendig und authentisch werden. Das typische CoA-Feeling vermischt sich mit einem stets etwas melancholischen Unterton und den leisen Klängen der Klaviere, die auch nach dem Auszug aus der Villa in Hannes' Leben präsent bleiben.

So emotional "Für Polina" auch ist, ist der Roman doch kein ausschließlich trauriges Buch in dem Sinne - immer wieder schimmern auch humorvolle Momente durch, bringen die schrulligen Nebenfiguren zum Lächeln. Hannes durch seine Zeit als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener zu begleiten fühlt sich an wie eine Berg-und-Tal-Fahrt: Es gibt Höhen und Tiefen, man freut sich, hofft und leidet mit ihm und durchläuft während des Lesens so ziemlich alle Emotionen, die man sich erdenken kann. Das und Würgers Schreibstil, der stets atmosphärisch, mal poetisch und dann wieder wunderbar leicht ist und und dabei die Leser*innen führt, indem er genau in den richtigen Momenten und im richtigen Maß die Schwere der jeweiligen Situation begreifbar werden lässt, danach jedoch stets auch wieder auffängt, machen "Für Polina" zu einem großartigen Roman. Tiefempfundene Freundschaft, erste Liebe, Musik, Verlust, Trauer und Hoffnung, all das und noch viel mehr ist hier zwischen den Seiten zu finden. "Für Polina" ist einer der Romane, in denen man komplett abtauchen kann und am liebsten nie mehr auftauchen würde, der mitnimmt und auch nach der Lektüre im Gedächtnis bleibt. Ein absolutes Highlight.