Und ab geht die Lucy

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elke seifried Avatar

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Ich kann mich noch gut an den ersten Fall für Klufti erinnern, der mich sofort zum Fan des kultigen Allgäuer Kommissars und des Autorenduos gemacht hat. Auch der Milchgeldfall war mir noch im Kopf, hat er damals noch grün um die Ohren, aus Mendler doch solch ein spektakuläres Geständnis für den Mord an Karin Kruse, die während im Dorf das Funkenfest gefeiert wurde, lichterloh auf einem Scheiterhaufen brannte, herausgepresst und sich damit als Ermittler einen Namen gemacht.

Seit dieser Mendler ihm aber im Sterben liegend das Versprechen abgerungen hat, den wahren Mörder zu finden, will Kluftinger die Sache nicht mehr aus dem Kopf. Denn auch wenn gilt, »Ein Versprechen, das man einem Verbrecher gibt, zählt nicht.« und sonst niemand Interesse daran hat, den Fall nochmal aufzurollen – schließlich wurde der Täter gefasst und hat seine Strafe verbüßt, ist er fest dazu entschlossen den wahren Schuldigen zu finden. Die Chance ist gekommen, als es heißt, »Sie können ab heute eh machen, was Sie wollen.« »So brauchen Sie das jetzt aber auch nicht sagen.« »Nein, ich meine das ganz im Ernst. Sie können das jetzt ganz allein entscheiden. Weil Sie nämlich die kommissarische Leitung des Präsidiums übernehmen werden.« Mehr als gelegen kommt auch, dass Ermittlungen aus dem letzten Fall, die ja noch nicht abgeschlossen waren, sich mit dem Cold Case überschneiden. Eine Fachfrau in Sachen kalter Fälle soll die neue Kollegin Lucy sein, die die Stelle von Eugen Strobl, wegen dessen Tod noch das ganze Team unter Schock steht, ersetzen soll. Dass sie es schwer haben wird, die Lücke, die der langjährigen Kollege hinterlässt zu füllen und das auch noch als junge Frau, ist wohl mehr als klar. Aber wird es mit ihrem frischen Wind vielleicht gelingen Karin Kruses wahren Mörder hinter Gitter zu bringen?

Das wird natürlich nicht verraten, denn als Leser darf man hier ja mit auf die eher spärlich gehaltenen Ermittlungen gehen, und dem wenigen an Spannung was dadurch vorhanden ist, darf man sicher nichts mehr abzwacken. Aber ein paar kleine private Einblicke dürfen vielleicht noch sein, davon gibt es ja auch im Roman mehr als genug. Klufti als Hausmann, fit im Wäsche rosa färben und im Thermomix für die Nachspeise sorgen ist genauso mit dabei, wie eine Depression seiner Ehefrau, altbekannte Querelen mit seinem geliebten Doktor Langhammer, »Ihre Frau macht gerade eine schwere Zeit durch«, riss Langhammer ihn aus seinen Gedanken. »Kein Wunder, wenn Sie da sind«, und auch von seinen Englischkenntnissen gibt es wieder einige Kostproben, wenn es um die Taufe des Buzele geht, „… is dived in water. Besser gesagt under water, and so, it kriegs… becomes a ghost. Nicht irgendeinen Geist, sondern den heiligen. By us, it is an Inder, who dives the kid.“, oder auch zum einen oder anderen Missverständnis kommt, »So, will you wieder work here, in Germany, als Doktor? We could noch einen gebrauchen, here. Not always Longhammer.« »Who has a long… hammer?« »This is a long story. Aber wär good, when you here Doktor.« Der Mann hob resigniert die Schultern. »I would love to, but I must not.« Kluftinger runzelte die Stirn. Diese Haltung wunderte ihn jetzt doch. »Schon klar, you can live here weiterhin, aber es ist doch schon besser, wenn Sie Ihr eigenes Geld verdienen und eine gute Wohnung haben, oder? Own money, good house, you know?«,

Volker Klüpfel und Michael Kobr greifen wie immer auch aktuelle gesellschaftspolitische Themen auf. Geflüchtete Jugendliche, die in Altusried eine neue Heimat finden wollen, der Sinn einer Taufe, Pfarrer aus anderen Kulturen, die Stellung von Frauen in der Kirche oder die Aufnahme des Dritten Geschlechts in die Beamtensprache sowie sexistische Äußerungen der neuen Kollegin gegenüber, sind nur einige Beispiele dafür. Hier können sie mit einem tollpatschigen Kommissar, der von einem Fettnäpfchen ins nächste steigt und keine komische Situation auslässt, ihre Späße treiben.

Der Schreibstil des Autorenduos liest sich wie immer flüssig, locker und leicht, was mir dieses Mal allerdings auch über die eine oder andere Länge helfen musste. Nicht nur bei den spärlichen Ermittlungen, wobei mir das grundsätzlich nichts macht, wenn die zugunsten des Spaßes in den Hintergrund treten, leider auch manch eine eigentlich witzige Szene habe ich dieses Mal als etwas zu ausgetreten empfunden. Ob es am Herbstblues lag, dass ich mich nicht mehr ganz so prächtig unterhalten gefühlt habe, sich mein Humor verändert hat, oder ob es tatsächlich so ist, dass hier zu viel versucht wird auszuschlachten, vermag ich nicht zu beurteilen. Zweifelsohne durfte ich aber schon noch oft schmunzeln und vor mich hin grinsen, wofür Szenen wie „Er stand auf und begann, die Wäschestücke nach dem Grad der Verschmutzung auf vier verschiedene Häufchen zu sortieren. Im Geiste gab er ihnen die Namen »geht grad noch mal«, »nimmer ganz astrein«, »bissle arg dreckig« und »höchste Zeit«, oder solche, er um vor der neuen Kollegin gut da zu stehen »Guten Morgen, Frau Göppel: Nein… ja, also, ich mein… ich krieg bitte zwei Vollkornsemmeln. Mit… Lachsschinken, schön mager. Aber bitte nicht so viel drauf, drei Scheiben reichen locker. Und ein Gürkle, bitte.« statt der gewohnten Salamisemmeln bestellt, die die dann aber so richtig zuschlägt, sorgen. Auch pointierte, witzige Dialoge wie »Schön, Fräulein Beer, dass Sie…« »Frau«, unterbrach Sie ihn. »Wie bitte?« »Wenn schon Sie, dann Frau. Nix Fräulein. Sie sind ja auch kein Männlein oder ein Herrchen.“, oder »Ja, sehr gut war’s. Suppe, Brot und Rohkost. Und rate mal, wer den Nachtisch gemacht hat!« »Der Doktor Oetker?« »Schmarrn, ich. Kommt’s halt am Wochenende mal zum Essen, und ich mach uns Heidelbeereis.«, haben mich natürlich zum Schmunzeln gebracht.

Ich kenne das Team um den zwar gnadenlos tollpatschigen, aber eben auch menschlich, sympathischen Kommissar ja schon ein Weilchen, besonders amüsant fand ich dieses Mal deren Bemühen um mehr friedliches Zusammen. Sogar eine Whats-App Gruppe wird gegründet, und damit Nachrichten wie „Der zieht sie ja selber nicht an. Ist doch froh, wenn er seine Haferlschuhe anbehalten kann, weil er sich so schwer bücken kann mit dem Bauch ;-)“ von Richard Maier Klufti nicht mehr durch seine Lappen gehen, macht sich sogar Klufti schlau, „Suchfeld, dann tippte er das Wort Wotsebb ein.“ Richtig frischen Wind bringt Lucy, „Sie gefällt mir, weil sie eine gute Analytikerin ist und noch dazu kein Püppchen, sondern eher handfest. Mit der habt ihr einen guten Fang gemacht.« die, wie sich entpuppt, super gut ins Team passt. Das bringt Entwicklungspotential mit sich und das kann ja in einer Reihe, die sich schon über so viele Fälle erstreckt, nie schaden. Erika, Langhammer und die diversen anderen Mitspieler sind natürlich wie immer auch mit an Bord, überzeichnet, mit Potential, den Leser zum Schmunzeln zu bringen.

Alles in allem gibt es von mir als Fan noch vier Sterne, von einer fünf Sterne Begeisterung, bin ich doch ein gutes Stück entfernt.