Geruhsam und etwas blass

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viv29 Avatar

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Von den ersten Seiten dieses Buches (mit gelungenem Einband!) über Salvador Dalí und seine Frau Gala war ich begeistert. Die Autoren schreiben bildhaft und eingängig, verstehen es, die Atmosphäre so zu schaffen, daß man alles vor sich sieht. Wir sind gleich mitten in der Handlung und es gibt genügend Andeutungen, die neugierig auf das weitere Geschehen machen - es ist das Jahr 1929, Gala steht kurz davor, Salvador kennenzulernen.

Leider hielt das Buch nicht gänzlich, was der Anfang versprach.
Das Erzähltempo ist gemächlich, insgesamt begleiten wir das Paar nur bis 1931, was bedauerlich ist, da die interessantesten Entwicklungen und Geschehnisse keinen Eingang in das Buch finden. Während es zu Beginn noch angenehm ist, ein Gefühl für Charaktere und Atmosphäre zu bekommen, zieht sich die Geschichte leider schon bald sehr. Hier fand ich insbesondere das zweite Viertel des Buches anstrengend, das sich über etwa 90 Seiten fast wie ein Reiseführer liest und die Handlung so gut wie gar nicht voranbringt. Wir begleiten Dalí und Gala, sowie einige der leider sehr blassen Nebencharaktere, einige Tage lang auf Besichtigungstour und die Autoren scheinen den Wunsch gehabt haben, alles, was sie über die Gegend gelesen haben, dort hineinzupacken. Wenn das Lokalkolorit die Handlung aufhält und überlagert, ist das frustrierend.
Auch die Vorliebe für Beschreibungen wird zunehmend anstrengend. Wenn jedes Zimmer, in dem sich einer der Charaktere zehn Minuten lang aufhält, genau beschrieben wird, fehlt der Sinn und die Lektüre wird zäh. Gleiches gilt für die seitenlangen Gedankenbeschreibungen, bei denen ich öfter wünschte, die Autoren hätten die „zeigen, nicht erzählen“-Regel mehr berücksichtigt. Dem Leser wird viel beschrieben, viel erklärt, manche Sätze über Dalís Arbeit haben etwas Handbuchartiges. Dies führt dann leider auch dazu, daß man weder die Charaktere, noch ihre Gefühle und Motivationen spürt. Gerade Dalís etwas spezielle Art wird nur andeutungsweise lebendig. An manchen Stellen wirkte es wie die Geschichte eines beliebigen Künstlerpaars. Hier fand ich symptomatisch, daß die Autoren sich (wie im Nachwort erklärt) entschlossen, das etwas komplizierte Verhältnis Dalís zum Körperlichen außen vor zu lassen und „dem jungen Salvador die Freuden des Liebeslebens nicht vorzuenthalten“. Das ist nett, aber nicht unbedingt authentisch und nimmt einen weiteren ungewöhnlichen Aspekt aus der Betrachtung.

Allgemein stimmte für mich durchweg die Gewichtung nicht. Viel Nebensächliches wird ausführlich und wiederholt behandelt, viel Interessantes geht u.a. durch den knappen Zeitrahmen und die distanzierte Erzählweise unter. Über die Menschen Salvador und Gala habe ich weitaus weniger erfahren als erwartet und mich beim Lesen leider oft gelangweilt.

Positiv ist zu erwähnen, daß der eingängige Schreibstil beibehalten wird und es zwar viel zu viele Beschreibungen gibt, diese an sich aber schön bildhaft sind. Auch gibt es Stellen, an denen die Informationen gelungen vermittelt werden, besonders gut gefiel mir die Beschreibung eines von Dalís Bildern mittels eines Dialogs. Es gibt berührende Stellen und gute Informationen. Insgesamt ist der Eindruck aber leider durchwachsen.