Ich habe mir mehr erhofft!

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
missmarie Avatar

Von

"Gala und Dalí" will keine Biographie des berühmten katalanischen Künstlers und seiner Frau sein, sondern ist laut Verlag eine sommerliche, bewegende Liebesgeschichte. Genau das ist es auch, was der Leser bekommt - nicht weniger, aber leider auch nicht mehr als eine romantische Erzählung, die sich zufällig um zwei bekannte Persönlichkeiten der Geschichte dreht.

Gala und der zehn Jahre jüngere Dalí lernen sich in Cadaqués kennen, einem kleinen katalanischen Küstendorf. Dort machen Gala und ihr Mann, Paul Éluard, sommerliche Arbeitsfreien. Doch die Ehe kriselt und als Gala erst den jungen Künstler kennenlernt und dann unverhofft einige Wochen alleine mit ihm unter der spanischen Sonne verbringen kann, entspinnt sich eine Beziehung zwischen den beiden. Dalí ist zu diesem Zeitpunkt noch recht unbekannt, sein Malstil noch in der Frühphase. Zum Ende der Romanhandlung fertigt er sein berühmtes Gemälde "Die Beständigkeit der Erinnerung". Der Leser begegnet hier also dem jungen Dalí.

Obwohl sich der Einstieg ins Buch wunderbar leicht gestaltet, mich Cover und Klappentext angesprochen haben, bin ich nach den gut 400 Seiten enttäuscht. So viel Potential hat das Autorenteam verschenkt, so viele Lücken gelassen und so oberflächlich erzählt. Stellenweise hatte ich den Eindruck, dass beide eine Liebesgeschichte schreiben wollten und noch irgendeinen Aufhänger gebraucht haben, mit dem sich das Buch besser verkauft. Enttäuscht hat mich zum einen die untergeordnete Rolle, die die Kunst in der Romanhandlung spielt. Obwohl an mehreren Stellen im Buch erwähnt wird, dass sich Dalí mit Gala intensiv über seine Kunst und die Methoden der Motivfindung unterhält, findet sich kein einziges (!) solches Gespräch im gesamten Roman. Auch werden gerade einmal vier Bildtitel genannt, zwei Bilder genauer beschrieben. Lediglich beim berühmten Uhrenbild geht es darüber hinaus auch um Dalís Inspirationen für seine Kunst. Ansonsten sucht man vergeblich nach tiefergehenden Kunstbezügen. Schade - zumal die Autorin mit einem Kunststudium wahrscheinlich in der Lage wäre, hier tiefer einzusteigen. (Mir ist übrigens durchaus bewusst, dass es sich um einen Roman, nicht um eine Biographie handelt, allerdings hätte ich mir bei dem Protagonisten doch mehr Tiefe in Bezug auf die Kunst gewünscht.)

Ähnlich oberflächlich bleiben leider auch die Figuren: Gala wirkt oft eingebildet, kühl, abweisend und eher am Erfolg ihre Geliebten als an dem Mann interessiert. Dalí hingegen schwankt zwischen verrücktem Genie und hilflosem Jugendlichen. Die Liebe zwischen beiden nehme ich den Figuren nicht ab. Das hängt wohl mit dem Schreibstil des Duos zusammen: Statt uns über Gesten, Blicke, Handlungen etc. etwas über die Gefühle der Figuren zu erzählen, wird dem Leser stets erklärt, wie sich die Figuren gerade fühlen und was sie denken. Dadurch habe ich mich eher wie ein distanzierter Zuschauer gefühlt. Außerdem werden so viele Klischees - vor allem in Bezug auf die russische Abstammung Galas - bedient, dass es für mich unglaubhaft wurde.

An einigen Stellen, vor allem gegen Ende, hat der Roman durchaus Szenen voller Potential - Beispielsweise dann, wenn die Surrealisten-Gruppe in Paris zusammentrifft. Leider haben die Autoren aber die Angelegenheit, genau dann in der Handlung zu springen, wenn sich entsprechende interessante Szenen anbahnen würden. Wie sieht es in dem Kino aus, das die Rechten überfallen haben? Wie verläuft die Genesung nach der Krankheit Galas? Immer dann, wenn etwas Interessantes erzählt werden könnte, entsteht leider eine große Lücke.

Zwei Sterne gibt es dennoch für die Landschafts- und Kulturbeschreibungen im ersten Teil des Romans. Diese Kapitel zu lesen, hat sich angefühlt, wie ein Kurzurlaub im Kopf. Dadurch habe ich Lust auf eine Reise in den Süden bekommen. Um ehrlich zu sein, hat mich auch weniger die Handlung, als der Ort und seine Beschreibung durch die ersten 200 Seiten gebracht. Leider wurden diese Schilderungen aber schwächer, als sich die Handlung nach Paris verlegt hat, sodass der Roman deutliche Längen hatte. Und: Eine gelungene Landschaftsbeschreibung macht noch keinen Roman.

Fazit: Wer eine leichte Liebesgeschichte Lesen möchte, in der hier und da ein paar Brocken kulturellen Wissens eingestreut werden, ist hier richtig. Wer wirklich an den historischen Personen interessiert ist, liest lieber einer der zahlreichen Biographien.