Eher Erzählung als Krimi, dennoch lesenswert!

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Aline Kiner: Galgenmann
In Varange, einem kleinen Dorf in Lothringen, werden im Jahr 2004 zwei junge Mädchen auf seltsame Art ermordet. Man findet die Teenager auf dem Bauch liegend in Erdspalten, die durch das teilweise Einstürzen und die Flutung alter Minenstollen entstanden sind. Die Mädchen sind im Schlamm erstickt, zusätzlich sind sie jedoch auf merkwürdige Art gefesselt: nach dem Vorbild der Figur des "dieu piteux" (Gott des Erbarmens) auf dem alten Friedhof von Varange. Elf Jahre zuvor wurde bereits ein anderes junges Mädchen, die Dorfbewohnerin Alice, in einer Erdspalte tot aufgefunden, damals ging man von einem Unfall aus. War das etwa die erste Tat eines Serienmörders?
Da im Zusammenhang mit den beiden Leichen ein Galgenmännchen-Spiel mit einem deutlichen Hinweis auf den Namen Johann gefunden wird, muss jedoch auch in andere Richtungen ermittelt werden. Genau vor 60 Jahren, am Heiligen Abend 1944, war in Varange ein junger Mann namens Johann Ziegler auf dem Friedhof gehängt worden, den man beschuldigte, ein Kollaborateur der inzwischen abgezogenen Deutschen gewesen zu sein. Könnte es sich bei den "neuen" Morden um einen Racheakt für die längst vergangene Lynchjustiz handeln?
Diesen Fragen müssen sich die Polizei vor Ort und der aus Paris in die Provinz strafversetzte Kommissar Simon Dreemer stellen. Simon, der während der Ermittlungen oft auf sein Bauchgefühl hört, gleichzeitig aber auch schnell entschlossen und manchmal ungeduldig ist, arbeitet mit Jeanne Modover zusammen. Sie ist in Varange aufgewachsen und trifft nun während der Ermittlungen mit vielen Menschen zusammen, die in ihrer Kindheit eine Rolle gespielt haben. Simon mit seinem objektiven Blick von außen und Jeanne mit ihrem "Insiderwissen" bilden ein gutes Team, trotzdem ist der Fall komplizierter als erwartet.

Die Autorin ist selbst als Tochter eines Minenarbeiters in einer kleinen Stadt in Lothringen aufgewachsen. So gelingt es ihr, die Problematik der Menschen, die jederzeit mit dem Einsturz ihrer über den Stollen gelegenen Häusern rechnen müssen, glaubhaft und anschaulich darzustellen.
"Galgenmann" ist ein gut konstruierter und vom Stil her angenehm zu lesender Roman, er erzeugt beim Leser jedoch keine große Spannung. Die Morde werden relativ emotionslos beschrieben und die Figuren der Ermittler bleiben meiner Ansicht nach eher blass. Ich habe dieses Buch dennoch gern gelesen, da ich Romane, deren Handlung bis in die Vergangenheit zurückreicht, sehr schätze und dieser Roman außerdem in einem eher ungewöhnlichen Umfeld spielt. Einen spannenden Krimi oder gar einen Thriller sollte man jedoch nicht erwarten.
3,5 Sterne