Sehr bewegend ...

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beastybabe Avatar

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Die Geschichte:
Das Mädchen mit dem ungewöhnlichen Namen “Ladydi” wächst fast nur unter Frauen auf. Die Männer haben das Dorf verlassen, um irgendwo anders zu arbeiten und im besten Fall wenigstens Geld nach Hause zu schicken. Es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben, das wir uns kaum vorstellen können. Doch bedrohlicher als die Gefahren des Dschungels und schlimmer als die ständige Hitze sind die Drogendealer, die eines Tages Ladydis Freundin Paula entführen.
Doch später geschieht etwas, womit niemand gerechnet hätte: Paula kehrt zurück, doch sie ist nicht mehr dieselbe …

Meine Meinung:
Die Geschichte wird uns von Ladydi erzählt. Vielleicht erklärt dies den zunächst etwas ungewöhnlich anmutenden Schreibstil. Auf jeden Fall fand ich ihn sehr passend, so als würde wirklich jemand aus seinem Leben erzählen. Es gab gewollte Wiederholungen, manchmal etwas wirre Zeitsprünge, aber das machte das Ganze auch authentischer und lebendig.
Ladydi ist ein starkes Mädchen, das es nie leicht hat im Leben. Trotz aller Tragik hat Jennifer Clement aber auch tröstliche Passagen eingeflochten, so dass die Geschichte ein stetes Auf und Ab darstellt.
Auf mich wirkte Ladydi sympathisch und realitätsnah. Auch die anderen Charaktere bleiben nicht farblos, sondern spielen hervorragend ihre Rolle in diesem Werk.
So vieles in diesem Roman ist (leider) traurige Realität, angefangen bei den bedauernswerten Straßenhunden bis hin zu skrupellosem Menschenhandel. Jährlich verschwinden Hunderttausende von Mädchen und Frauen und tauchen meistens nie mehr wieder auf.
Das Buch hat mich sehr berührt und ich habe es praktisch in einem Rutsch durchgelesen. Es ist fesselnd, erschreckend, manchmal aber auch erheiternd und tröstend – die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen findet sich in “Gebete für die Vermissten”.
Einziger Kritikpunkt: Das Ende ist für meinen Geschmack zu offen. Ich hätte mir zumindest noch einen kleinen Epilog gewünscht, bei dem wir etwas in die Zukunft blicken dürfen. Das Schicksal einiger Figuren wird nicht weiter verfolgt, was ich sehr schade fand.
Andererseits spiegelt das Ende auch wieder einen Teil der Realität wieder: auch die Angehörigen der wahren Entführten müssen schließlich täglich mit der Ungewissheit leben – und das ist ungleich schlimmer.

Fazit:
Ein sehr berührender Roman mit einer starken Protagonistin und einem erschreckend realen Hintergrund. Ich konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen und kann es nur weiterempfehlen!