Wo das Leben nichts wert ist

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sursulapitschi Avatar

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Das Leben ist nichts wert, erst recht nicht als Mädchen.
Das lernt Ladydi schon von klein auf. Sie wohnt in Guerrero, einem Dorf in den mexikanischen Bergen, einem Dorf, in dem keine Männer mehr leben. Männer sterben irgendwann oder gehen nach Amerika.
Mädchen werden als Jungen aufgezogen, so lange es geht. Dann werden sie versteckt, verleugnet und möglichst hässlich gemacht, weil hübsche Mädchen immer von Drogendealern entführt werden.
Eine schreckliche Vorstellung. Für Ladydi ist das Alltag und davon erzählt sie in diesem Buch, von Maria mit der Hasenscharte, Paula, die wunderschön ist, ihrer durchgeknallten, alkoholsüchtigen Mutter und von Ruth, dem Müllbaby, die einen Schönheitssalon betreibt, der eigentlich ein Hässlichkeitssalon ist, weil niemand schön sein möchte.

Mit einigem Fatalismus wird hier Unglaubliches berichtet, was oft nahezu skurril wirkt, aber dann wohl doch eher die traurige Wahrheit ist.
„In Guerrero fahren Taxis, die haben ein Pappschild auf dem Armaturenbrett, wo "Nehme keine blutenden Fahrgäste mit" draufsteht.“

Man muss bisweilen ein wenig Geduld beweisen, wenn man Ladydis Ausführungen folgen will. Sie erzählt die Ereignisse gerade so, wie sie ihr einfallen, erinnert sich, greift vor, schweift ab, aber irgendwann weiß man dann, was sie eigentlich sagen wollte und ist meistens erschüttert.
Auch ihre persönliche Zeitrechnung ist eigen: Am Tag, als Mutter die Fliegen tötete…Vor(oder nach) der Operation… Als Paula verschwand… Als Vater noch da war…
Zwischen vordergründig einfacher Sprache blitzen immer wieder poetische Vergleiche auf: „Jemand hat ein Netz über dieses Land geworfen, und wir sind hineingefallen, sagte meine Mutter“.

Dieses Buch ist ungewöhnlich und eindrucksvoll. Fast traut man sich nicht zu sagen, dass es Spaß macht es zu lesen, aber das tut es. Auch wenn man die meiste Zeit eher betroffen und entsetzt ist.