Eine andere Perspektive

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horrorbiene Avatar

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Nachdem Lönig im siebten Teil der Serie schon ihr Konzept etwas geändert hat, hat sie es mit diesem Buch nun zusätzlich auch noch erweitert: Bisher war der Leser immer mit Konstantin Dühnfort unterwegs und hat ihn seit seiner Ankunft in München dort begleitet und einiges mit ihm erlebt. Zum Beispiel wie er Gina kennen gelernt hat, sich zwischen den beiden etwas entwickelte, sie zusammenfanden und ihre Beziehung zunächst geheim hielten weil er ihr Vorgesetzer war. Letztlich machten sie ihre Beziehung öffentlich, was dazu führte, dass sie beruflich getrennte Wege gingen und sie nun „Cold Cases“ also Altfälle bearbeitet, während er ein neues Mitglied in seinem Team aufnahm. Ich hatte immer gehofft, dass die beiden Mordkommissionen irgendwann einmal einen gemeinsamen Fall bearbeiten müssen, doch dazu kam es in den letzten zwei Büchern leider nicht. Stattdessen hat Frau Löhnig nun einen Krimi aus Ginas Sicht geschrieben und der Leser hat nun mit ihr einen „Cold Case“ aufgearbeitet. Zeitlich ist das Buch auf jeden Fall nach dem siebten Dühnfort anzusiedeln und da er ja auch mitspielt, lasse ich dieses Buch nun für mich unter Dühnfort/Angelucci Band 8 laufen. Die Idee mag etwas riskant anmuten: Einen bewährten Charakter aufs Abstellgleis befördern und dann auch noch einen „Altfall“ in den Vordergrund rücken, doch die Umsetzung ist absolut gelungen!
Gina Angelucci war mir von Anfang an sehr sympathisch und dass die beiden ein Paar geworden sind hat mir gut gefallen. Die Idee ist meiner Meinung nach doppelt schön, weil es aufgrund der Vorgesetzen/Untergebenen-Situation herrlich viel Potential für das Zwischenmenschliche bot, das die Autorin auch zu nutzen wusste. Nun Gina ein eigenes Buch zu widmen, finde ich doppelt gut. Zum einen weil es für die Entwicklung logisch ist zum anderen, weil es nun gefühlt potentiell mehr Bücher der Autorin gibt. Außerdem wird es bestimmt mit diesem Paar nicht langweilig werden.
Gina hat im Gegensatz zu Dühnfort andere Macken. Er nimmt alles sehr genau. Sie schreibt erst einmal zu jeder Person, die für die Ermittlung wichtig ist eine imaginäre Personenbeschreibung. Aber sie hat auch ähnliche Angewohnheiten, z.B. der Koffeinkonsum in Form von Espresso, wobei sie ihn als Capuccino bevorzug. Durch Ginas Partner Holger ist eine neue Figur auf der Bildfläche erschienen, der zu Anfang etwas unsympathisch rüberkam. Tatsächlich war das mehr Ginas Einstellung ihm Gegenüber, denn im Laufe des Buches wurde deutlich, dass er eigentlich ein sehr sympathischer Geselle ist. Diese Konstruktionsweise ist auch eines der kleinen Details, die ich an diesem Buch sehr schätze!
Der Fall hat mir auch sehr gut gefallen. Vor zehn Jahren ist ein kleines Mädchen vermeintlich von seinem Vater mit in den Selbstmord genommen worden, doch die Mutter glaubt nicht daran und ist sich sicher, dass ihr Kind noch lebt. Gina nimmt die Ermittlungen auf und schnell habe ich meinen Schuldigen schon festgemacht. Erst dachte ich, das wäre ja sehr schade, wenn das tatsächlich so wäre, doch Frau Löhnig ist ja bei weitem keine Anfängerin mehr und so streut sie hier und da weitere Verdächtige ein und das Miträtseln bleibt Erhalten. Auch wenn der Fall den Eindruck macht an bekannte, reale Fälle angelehnt zu sein, war das für mich alles andere als kontraproduktiv. Gerade aufgrund der Parallelen zu echten Schicksalen war diese Handlung noch dramatischer. Mich konnte die Handlung jedenfalls absolut fesseln, so dass ich das Buch auch an einem Tag ausgelesen habe. Das passiert mir nicht oft!
Schön ist auch, dass Frau Löhing die aktuelle Flüchtlingsproblematik in die Nachrichten des Krimis eingebaut hat. Dies macht das Buch noch „realer und greifbarer“ vor allem aber hochaktuell. Ich mag diese Art von Illusion, dass es tatsächlich gerade in München einen solchen Fall gegeben hat.
Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass es noch viele Bücher aus dieser Serie gibt, bei denen die Hauptperson von Buch zu Buch wechselt. Das macht die Serie abwechslungsreich und spannend. Vor allem aber macht es die zwischenmenschlichen Beziehungen der Ermittler noch plastischer und darauf lege ich bei guten Krimis viel Wert!

Fazit: Gedenke bricht mit der Tradition der Vorgänger indem hier nicht Dühnfort, sondern Gina Angelucci den Hauptcharakter stellt. Dies finde ich aufgrund der Entwicklung der Charakere in dieser Serie konsequent und macht sie zudem interessant und abwechslungsreich. Die Umsetzung dieser Idee ist auch auf allen Ebenen gelungen. Da mich der Fall zudem auch noch sehr mitgerissen hat und ich das Buch daher an einem Tag ausgelesen habe, kann ich diese Reihe nur sehr weiter empfehlen. Ich würde mich freuen, wenn sie auch so abgwechslungsreich fortgeführt wird, wie Frau Löhnig das bisher auch getan hat!