Spannender Inhalt, mäßige Verpackung

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griseldis2000 Avatar

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Jarvis Jay Masters sitzt seit dreißig Jahren im Todestrakt des berüchtigten St. Quentins Gefängnisses. Er wurde verurteilt wegen zahlreicher Gewaltverbrechen und als sehr junger Mann zusätzlich wegen Beteiligung an einem, im Gefängnis verübten Mord an einem Gefängniswärter, wofür er das Todesurteil, das jedoch nicht vollstreckt wurde, erhalten hat.
Dieses letzte Verbrechen hat er nach seiner Aussage nach jedoch nicht begangen.
David Sheff, ein sehr bekannter amerikanischer Autor und Journalist, der vor allem mit Tatsachen- Büchern über Sucht und Abhängigkeit berühmt wurde und unter anderem auch Yoko Ono und John Lennon interviewt hat, schreibt nun also eine Biographie über einen Schwarzen, der sich im Gefängnis vom aggressiven Schwerverbrecher zum praktizierenden Buddhisten geläutert hat und von dem Manche behaupten, er sei gar ein lebender Boddhisatva. ( ein Mensch, der die Erleuchtung anstrebt und sein Leben der Hilfe und Zuwendung zu anderen Menschen gewidmet hat.)
Sheff selbst ist kein Buddhist, sagt jedoch, dass ihn Masters bei seinen Besuchen im Gefängnis durch seine inspirierende Kraft zutiefst berührt hat.
Warum Jarvis Masters das Buch über sich nicht selbst geschrieben hat, ist mir ein Rätsel. Denn er kann schreiben, hat anscheinend zutiefst authentische Prosa verfasst, auch ein recht bekanntes Buch ( Finding freedom) verfasst. Warum nicht dieses?
Der trockene, journalistische Stil ( mag auch noch zusätzlich Charme in der Übersetzung verloren haben) störte mich nämlich sehr. Hier geht es um tiefe innere Prozesse, persönliches Erleben, Schmerz, Wahnsinn, Hoffnung und Liebe. Stoff also für echte Literatur.
Davon ist leider sehr wenig zu spüren.
Dreifach schade.
Für den Menschen Jarvis, für den inspirierenden Lehrer und Lernenden und für die Leser, die hier einen echten Schatz hätten bergen können.
Trotzdem ist das Buch lesenswert. Eine spannende Geschichte, die eine Ahnung vermittelt, wie Verbrecher in einem Staatssystem regelrecht produziert werden. Dass Gefängnisse schlecht zur Rehabilitation taugen, dass nur Menschlichkeit und Liebe den Hass heilen können.

Wenn man nichts oder nur wenig vom Buddhismus weiß, wird David Sheff nicht weiterhelfen können. Die tiefe innere Wandlung von Jarvis nachzuvollziehen gelingt über die kargen Zeilen nicht wirklich gut. Aber hey! Besser als nichts. Es ist eine Biographie und leider keine Autobiographie.
Menschen wie Jarvis Jay Masters geben Hoffnung und je mehr Menschen über ihn wissen, umso besser. Vielleicht trägt die Bekanntheit des Autors dazu bei.
Ich warte allerdings schon auf den Aufschrei, dass hier ein Weißer über einen Schwarzen schreibt.
Dass ein Nichtbuddhist über die Wandlung zum Buddhisten berichtet finde ich da schon schwieriger. Soll aber nicht heißen, dass ich das grundsätzlich für unmöglich halte.
Aber ich glaube, es wäre in diesem Fall besser gewesen, wenn jemand, der Erfahrungen mit Meditation und daraus gewonnene Einsichten hat, diese Biographie geschrieben hätte.