Wenn du Buddha triffst, dann töte ihn

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owenmeany Avatar

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Eine schwierigere mentale Situation als die Haft im Hinrichtungstrakt kann ich mir gar nicht vorstellen, von entsprechenden Büchern und Filmen bekomme ich Alpträume und lehne deshalb die Todesstrafe aus innerster Überzeugung ab. Egal ob schuldig oder nicht: man dreht doch unweigerlich durch, wenn man eingesperrt sein gewaltsames Ende greifbar und gnadenlos vor Augen sieht. Und hier schildert David Sheff den klassischen Fall, wie wir ihn dem US-amerikanischen Rechtssystem vorwerfen. Ein man of color aus einer dysfunktionalen Familie rutscht frühzeitig ab in die Kriminalität und gerät im Gefängnis bedingt durch die widrigen Umstände und die undurchschaubaren Strukturen unter Mordverdacht. Mehrmalige Wiederaufnahmen seines Verfahrens bestätigen das Todesurteil, warum habe ich allerdings einfach nicht verstanden. Während dieser Verhandlungsphasen schlägt die eigentlich angebrachte Hoffnung in tiefe Qual um. Sensibel, aber keineswegs sensationsheischend gewährt uns der Autor Einblick in die Gemütsverfassung Masters' während dieser Perioden, die sich unvorstellbarer Weise über mehr als drei Dekaden dahinziehen und jeweils bis zu drei Monaten andauern, bis die Entscheidung gefällt wird.

Wie kommt es, dass er nicht nur selber Mut fasst, sondern diesen sogar anderen Bedürftigen weitergeben kann, anstatt zombiehaft seinem Ende entgegen zu vegetieren?

Einen psychischen Anker kann man in einer solchen Lage nur in einer höheren Dimension finden, in der Spiritualität, die in diesem Fall dem Buddhismus, dessen Achtsamkeits- und Meditationsübungen und der Philosophie des Mitgefühls entspringt.

Angenehm nüchtern und trotzdem einfühlsam stellt David Sheff die Entwicklung Jarvis Jay Masters' dar, der das Glück hatte, von Lehrerinnen und Lehrern eingewiesen und begleitet zu werden auf diesem heilsamen Weg. Masters reift zu einer rettenden Ansprechperson für seine Mitgefangenen und schreibt Bücher. Sehr berührt hat mich auch seine Website mit zusätzlichen Informationen und Fotografien.

Die Leser erhalten einen Einblick in die Mantras und deren Auswirkungen, außerdem, welche Weichenstellungen in den individuellen Entscheidungen den Charakter stabilisieren. Wenn sich dieser Tage auch so mancher eine Buddhafigur in den Vorgarten stellt, bin ich mir nicht so sicher, ob sich diese Leute mit den Anforderungen dieser Glaubensrichtung auseinandersetzen.

Deshalb empfehle ich unbedingt diese durch intensive persönliche Erfahrungen geprägte Biografie. Sie ist ein ermutigendes Zeugnis für alle Menschen, die den Boden unter den Füßen verloren haben.