Wer nicht geht, dem entgeht was!

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Erling Kagge (geb. 1963) ein norwegischer Abenteurer, Kunstsammler und Verleger, der zudem auch noch Rechtsanwalt und Philosoph ist, hat 2017 das Buch „Stille. Ein Wegweiser“ verfasst, in dem er durch Austausch mit Freunden und Wegbegleitern aufzeigt, wie man zu einer „inneren“ Ruhe und Frieden findet, auch wenn es um einen herum laut ist.
Jetzt, im Herbst 2018 folgt sein Buch „Gehen. Weiter gehen“, welches quasi als Fortsetzung – vielleicht auch Ergänzung - zur Stille-Abhandlung gesehen werden kann.
Allein das Cover strahlt Ruhe und Besinnlichkeit aus und lädt zum Entschleunigen ein.

Kagge betrachtet Gehen aus mehreren Blickwinkeln, und zwar in einer leichtverständlichen Sprache, ohne viel Fachsimpeleien. So wird Gehen evolutionshistorisch, medizinisch, (umwelt)psychologisch, philosophisch, und wie er es aus eigenen Erfahrungen erlebt, beleuchtet.

Der Erzählstil in diesem bewegenden Buch ist wunderbar. Es macht Spaß seine Abenteuergeschichten, die er „ergangen“ist (sei es durch die Unterwelt von Manhattan, durchs Großstadtgewirr oder auf Gipfeln oder zu den Polen oder einfach nur durch die Natur) zu lesen und dabei immer wieder Wissenswertes über unseren Körper, die Wahrnehmung und das Fühlen beigebracht zu bekommen.
Das Buch gibt wunderbare Anhaltspunkte, das Gelesene beim nächsten Spaziergang, Einkaufsbummel etc. zu testen und bewusst zu erfahren. So beispielsweise sollte man einfach mal testen, was mit einem passiert, wenn man schnell oder langsam geht. Oder wie man geht, wenn man sich gut oder schlecht fühlt, wenn man Angst oder Mut hat...
Der Gang verrät viel über die gehende Person!

Es ist interessant, dass die für uns selbstverständliche Aktion des Gehens, des sich Fortbewegens mit Hilfe unserer Füße, zu einer Besonderheit hervorgerufen wird, die zum Reflektieren anregt und uns bewusst macht, dass wir durch Gehen einen ganz andern Zugang zu unserer Umwelt bekommen. Man nimmt alles bewusster und aufmerksamer wahr, da man mit der Umwelt direkt und unmittelbar in Kontakt steht. So wird auch der Umgang mit uns und dem was uns umgibt sich positiv ändern.
Wer viel und/oder lange geht, merkt, dass er vom Beobachter zum Teilnehmer wird und letztendlich peu à peu Teil des Ganzen wird. Man ist Eins mit mit Allem. Ich denke, dass diese Erfahrung ein grandioses Glücks-Gefühl sein muss!
Auch wenn man seinen Problemen nicht davonlaufen kann, aber durch das Gehen (z.B. Spaziergang) gewinnt man Abstand und der Blickwinkel ändert sich und der Zugang zum Problem wird neu definiert.

Und das Schöne ist, so wie Kagge sagt, dass man 'Stille überall finden kann', selbst wenn es laut um einen ist, so kann man auch überall das Gehen praktizieren.
Ich schließe daraus, dass das Schöne und Bereichernde an diesen Erfahrungen ist, dass man beide Dinge wunderbar miteinander kombinieren kann: Man kann beim Gehen sich auf die innere, in einem ruhende Kraft der Stille, ideal einlassen und wirken lassen.

Das Buch ist eine herrliche Einladung, diese (be)sinnliche und meditative „Entdeckungsreise zu sich selbst“ anzutreten und aus dem Trott der Bequemlichkeit auszubrechen.
Man kann sagen, dass Gehen ein erstaunliches Rezept für viele Lebenslagen ist.

Also: Auf ein Wieder-Sehen
beim Weiter-Gehen!