Diese komische Alltagsheldin hätte ich gerne in echt kennengelernt
Marisa ist zweiunddreißig und nach dem abgebrochenen Kunststudium vor acht Jahren in der Werbeagentur gestrandet. Sie hatte sich den Knöchel verstaucht und musste ihre Schicht in der Bar absagen, einer der Jobs, mit denen sie ihr Studium finanzierte. Den anderen Job in der Agentur konnte sie von zu Hause bedienen. Im Grunde hat der Besitzer der Bar über ihre weitere Zukunft entschieden.
Sie bereitet ein Meeting vor. Im Gegenlicht ihres Bildschirms sieht sie sich in der Aura der einfallenden Sonnenstrahlen. So gut wie sie ausgeleuchtet ist, könnte sie jetzt auch Makeupsessions modeln. Sie hat eine gewisse Erfahrung, weil sie in jeder Minute, die sie sich freischaufelt, auch die bezahlten, per Youtube auf dem Laufenden hält. Die lustigen Hundevideos beruhigen sie. Kurz vor dem Einloggen bereitet sie sich auf die komplett unnötigen, aber allerseits beliebten Phrasen ihrer Kolleginnen vor.
Sie weiß, dass sie nichts richtig kann und weiß nicht, wie sie an die Stelle als Texterin im mittleren Management gekommen ist. Wahrscheinlich hat sie das Spiel so lange perfektioniert, bis die anderen ihr ihre Kompetenz einfach abgekauft haben. Sie muss nur freundlich sein und heiße Luft verkaufen, keine Lippenstifte, sondern das Versprechen, schön und wichtig zu sein. Und sie ist flink im Kopf.
Im Büro herrschen dieselben Regeln wie auf der Jagd: Je schneller du dich bewegst, desto weniger wahrscheinlich wirst du abgeknallt. S. 19
In der Mittagspause legt sie sich eine halbe Tavor unter die Zunge, sie muss raus. Im Prado schwebt sie, wie ihre Pilatestrainer ihr das immer wünschen, wie von Fäden nach oben gezogen, wenige Zentimeter über den anderen Besuchern. Sie braucht heute Hieronymus Bosch, der versteht sie, trug dieselben Dämonen in sich wie sie, nur dass er seine mit einigen Pinseln und Papier austreiben konnte. Sie braucht dazu Tavor und Youtube.
Fazit: Beatriz Serrano hat mich schier umgehauen. Der Ton ihrer Protagonistin ist in ihrem Kopf ironisch und bissig, mit einer Prise Überheblichkeit und das finde ich arg erfrischend und authentisch. Sie wirkt abgeklärt und selbstsicher. Tatsächlich ist sie von ihrem Alltag und den Rollen, die sie spielen muss, überfordert und gelangweilt. Alles ist absehbar, folgt einem Plan, den Vorgesetzte und Kundinnen vorgeben. In ihrem Kern ist sie eine ängstliche, neurotische Frau, ohne tiefere Beziehungen. Das Gefühl, dass niemand sie mag oder bei ihr bleiben will, nagt an ihr. Um sich zu entspannen, pfeift sie sich Benzodiazepine rein, vielleicht rührt daher diese Spur an Kaltschnäutzigkeit, das Zeug betäubt auch die Gefühle. Und zwischendurch spucken ihre Zwangsgedanken Gift und Galle über ihr aus … nicht liebenswert u.s.w. und konkurrieren mit ihrem Herzen, das wie ein kleiner Wildvogel in einem Käfig herumflattert. Das Ende ist vielleicht nicht ganz überraschend, aber dafür unglaublich gut geschrieben. Dieser Roman hat mich trotz der Tragik an so vielen Stellen zum Lachen gebracht und mich, wie der Klappentext verspricht, durchaus selbst erkennen lassen. Diese komische Alltagsheldin hätte ich gerne in echt kennengelernt. Mega Autorin!
Sie bereitet ein Meeting vor. Im Gegenlicht ihres Bildschirms sieht sie sich in der Aura der einfallenden Sonnenstrahlen. So gut wie sie ausgeleuchtet ist, könnte sie jetzt auch Makeupsessions modeln. Sie hat eine gewisse Erfahrung, weil sie in jeder Minute, die sie sich freischaufelt, auch die bezahlten, per Youtube auf dem Laufenden hält. Die lustigen Hundevideos beruhigen sie. Kurz vor dem Einloggen bereitet sie sich auf die komplett unnötigen, aber allerseits beliebten Phrasen ihrer Kolleginnen vor.
Sie weiß, dass sie nichts richtig kann und weiß nicht, wie sie an die Stelle als Texterin im mittleren Management gekommen ist. Wahrscheinlich hat sie das Spiel so lange perfektioniert, bis die anderen ihr ihre Kompetenz einfach abgekauft haben. Sie muss nur freundlich sein und heiße Luft verkaufen, keine Lippenstifte, sondern das Versprechen, schön und wichtig zu sein. Und sie ist flink im Kopf.
Im Büro herrschen dieselben Regeln wie auf der Jagd: Je schneller du dich bewegst, desto weniger wahrscheinlich wirst du abgeknallt. S. 19
In der Mittagspause legt sie sich eine halbe Tavor unter die Zunge, sie muss raus. Im Prado schwebt sie, wie ihre Pilatestrainer ihr das immer wünschen, wie von Fäden nach oben gezogen, wenige Zentimeter über den anderen Besuchern. Sie braucht heute Hieronymus Bosch, der versteht sie, trug dieselben Dämonen in sich wie sie, nur dass er seine mit einigen Pinseln und Papier austreiben konnte. Sie braucht dazu Tavor und Youtube.
Fazit: Beatriz Serrano hat mich schier umgehauen. Der Ton ihrer Protagonistin ist in ihrem Kopf ironisch und bissig, mit einer Prise Überheblichkeit und das finde ich arg erfrischend und authentisch. Sie wirkt abgeklärt und selbstsicher. Tatsächlich ist sie von ihrem Alltag und den Rollen, die sie spielen muss, überfordert und gelangweilt. Alles ist absehbar, folgt einem Plan, den Vorgesetzte und Kundinnen vorgeben. In ihrem Kern ist sie eine ängstliche, neurotische Frau, ohne tiefere Beziehungen. Das Gefühl, dass niemand sie mag oder bei ihr bleiben will, nagt an ihr. Um sich zu entspannen, pfeift sie sich Benzodiazepine rein, vielleicht rührt daher diese Spur an Kaltschnäutzigkeit, das Zeug betäubt auch die Gefühle. Und zwischendurch spucken ihre Zwangsgedanken Gift und Galle über ihr aus … nicht liebenswert u.s.w. und konkurrieren mit ihrem Herzen, das wie ein kleiner Wildvogel in einem Käfig herumflattert. Das Ende ist vielleicht nicht ganz überraschend, aber dafür unglaublich gut geschrieben. Dieser Roman hat mich trotz der Tragik an so vielen Stellen zum Lachen gebracht und mich, wie der Klappentext verspricht, durchaus selbst erkennen lassen. Diese komische Alltagsheldin hätte ich gerne in echt kennengelernt. Mega Autorin!