Megaungeil

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Das Buch interessierte mich, weil mir die Millennials - und damit die Generation meiner Kinder - in vielen Bereichen fremd geblieben sind. Allein der Untertitel „Autobiographie einer Generation“ hätte mich stutzig machen müssen. Da besitzt also ein Einzelner die „Hybris“, sich zum Autobiographen einer ganzen Generation zu erklären. Vor diesem Hintergrund spricht auch das Titelfoto Bände.
Wie ein roter Faden durchzieht das Buch der Terroranschlag vom 11. September 2001, der die Kindheit der Millennials nachhaltig prägte. Keine Frage! Amokläufe an deutschen Schulen, Terroranschläge, Corona-Lockdown, Klimawandel, die Welt in Schieflage. Das alles prägte die Millennial für ihr Leben. Der Autobiograph erweist sich hier als Meister des Vergleichs. Während sein Vater in seiner vermeintlich sorglosen Kindheit die Mondlandung im Fernsehen anschauen durfte, musste seine Generation mitansehen, wie sich Menschen aus brennenden Hochhäusern in den Tod stürzten. Die Kindheit beendet. Die weitere Entwicklung unausweichlich und besiegelt. Unbezahlbare Wohnungen, vor dem Berufseinstieg die ewigen unbezahlten Praktika. Die Millennials, so der Autobiograph, die Ersten, denen es niemals bessergehen wird als ihren Eltern. Für die die einzige Angstsituation ihres Lebens darin bestand, dass die Computer den Sprung über die Jahrtausendwende nicht unbeschadet schaffen könnten. So viel Fatalismus erklärt und rechtfertigt das Wehklagen einer ganzen Generation und verschleiert offenkundig den Blick über den Tellerrand.
Seinem Vater und dessen Generation fräste sich in der Kindheit das Bild des nackten Napalm-Mädchens für immer ins Gedächtnis. Flugzeugentführungen, das Olympia-Attentat, Geiselnahmen, Wettrüsten, Angst vor dem 3. Weltkrieg und Waldsterben krochen in die Kinderzimmer. Die RAF hatte Deutschland im Griff, Alt-Nazis waren noch immer auf Posten, Fahndungsfotos von Attentätern, die überall auf uns lauerten, hingen in jedem Postamt. Wir sollten „nach drüben“ gehen, wenn wir gegen Nazis, Aufrüstung, Startbahn-West, Waldsterben und Atomkraft demonstrierten oder Häuser besetzten. In der Akademikerschwemme wären wir glücklich gewesen über jedes Praktikum statt als Taxifahrer oder in unterqualifizierten Jobs zu enden. Wir wurden als Klimaschützer und Weltretter nicht in Talkshows eingeladen, sondern saßen - von Springerstiefeln umzingelt - im Polizeikessel. „Drüben“ lebte man in Unfreiheit und Unterdrückung. Die Millennium-Eltern fanden die Kraft, sich zu erheben. Das alles reicht natürlich nicht. Den Millennials wurde von den Eltern und der Welt übel mitgespielt. Freischein zum Komasaufen einer Generation, deren Rebellion sich im heimlichen Kotzen hinter das spießige Wohnzimmersofa der Eltern erschöpfte.
Bevor man Fascho-Begriffe verwendet, sollte man vielleicht einfach mal an seiner Allgemeinbildung arbeiten. „Geschichte teilgenommen“ reicht nicht aus, um sich zum Autobiographen einer Generation aufzuschwingen.
Das Fazit der geilen Zeit ist konsequent und bezeichnend: Die Millennials haben es vielleicht aufgegeben, die Welt für sich zu verändern. Aufgegeben? Dass sie es versucht haben, muss ich verschlafen haben. Dass sie die Welt nicht für die Welt und für nachfolgende Generationen, sondern nur für sich selbst verändern wollen, scheint nach der Lektüre des Buches konsequent und glaubwürdig. Jetzt sollten sie – so der Autobiograph - den Jüngeren bessere Chefs, bessere Lehrer und bessere Eltern werden. Nur zu. Die Frage ist allerdings, ob und wie sie das schaffen wollen und ob die nächste Generation nicht lieber darauf sch …
Nach der Lektüre von „Geile Zeit“ könnte ich an den Millennials verzweifeln. Doch meine Kinder, deren Freunde und die Kinder meiner Freunde leben mir vor, dass sie auch anders sind. Wir haben es nicht geschafft, die Welt für euch zu retten. Wir waren zu wenige und zu viele haben uns nicht geglaubt. Damit könnt ihr euch nicht mehr rausreden. Wahrscheinlich könnt auch ihr die Welt nicht retten, aber ihr könntet es einfach mal versuchen. Wir glauben an euch. Aber sucht euch als erstes bitte bessere Autobiographen.