Was oder wer ist schon normal?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
wonderland09 Avatar

Von

Inhalt:
----------------------
Der 15-jährige Sam ist ein durchschnittlicher Teenager, der gerne Fußball spielt mit seinen Freunden und gemeinsam mit seiner 7-jährigen Schwester Freya und seinem 17-jährigen Bruder Ethan in einem Kaff namens Stevenage in England aufwächst. Er ist zufrieden, bis sein Vater seine Firma für viel Geld verkauft, seine Eltern in das wohlhabende Londoner Wohnviertel Hampstead ziehen und alle ihre Kinder an der "Nord-London-Akademie für Begabte und Talentierte" anmelden. Seine Geschwister blühen auf, aber Sam ist plötzlich als scheinbar nicht talentierter ein Außenseiter. Wird es ihm gelingen, seine Talente zu entdecken und dazuzugehören? Aber noch wichtiger: Will er das überhaupt?

Mein Eindruck:
----------------------
Ich habe schon ein paar Bücher des Autors gelesen und liebe seinen treffsicheren Humor. Besonders in Teenager und ihre Gefühle, aber auch in deren Eltern kann er sich perfekt einfühlen. Er schafft es immer wieder, typische Themen der jungen Generation und der Gesellschaft überspitzt und mit einem Hauch Ironie treffend darzustellen.

"Mum streckte sich über den Tisch aus, nahm meine Hand und sah mir in die Augen. 'Sei nicht so voreingenommen, Sam. Das herkömmliche Schulwesen ist restriktiv und konformistisch und geprägt von sinnlosen Zielvorgaben und Prüfungen. Die Akademie ist die beste Gelegenheit, all diesen Unsinn hinter dir zu lassen und dein wahres Ich zu finden und zu fördern. Selbst wenn du nicht sofort warm damit wirst, entdeckst du in dir mit der Zeit neue Tiefen, die dir bislang gar nicht bewusst waren.'
'Ich will keine neuen Tiefen finden. Ich mag die, die ich schon habe.' "(S. 13)

Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Sam geschrieben, und obwohl ich längst aus seinem Alter raus bin, konnte ich mich gut in ihn hineinfühlen und seine manchmal sarkastischen Gedankengänge haben mich oft schmunzeln lassen. Sams Mutter meint nun, da sie reich wäre, müsste sie etwas Besonderes sein und sich selbst neu erfinden. Dafür probiert sie einiges für ihren Selbstfindungstrip aus und die Familie muss dabei unfreiwillig als Versuchskaninchen herhalten. Freya entdeckt ihre künstlerische Ader und auch Ethan erfindet sich neu. Anfangs sieht es noch so aus, als ob Sam der einzig Normale und daher Außenseiter ist, doch im Verlauf der Geschichte findet er durch die Theater-AG geschickt einen Weg dazuzugehören, ohne sich selbst zu verbiegen.

"Aber du findest, dass ich besonders sein müsste. Du findest, das wäre wichtig. Und das glaube ich nicht. Wie kann denn jeder besonders sein? Warum sollte jeder besonders sein wollen?" (S. 265, Sam zu seiner Mutter)

William Sutcliffe geht in diesem Roman auf ein Phänomen der heutigen Zeit ein, in dem jedes Kind etwas Besonderes können muss und Eltern sich überschlagen, diese Talente zu fördern und noch schlimmer, über soziale Medien darüber pausenlos berichten müssen. Aber auch Eltern in der Midlife-Crisis und "normale" Teenagerprobleme wie sexuelle Orientierung u und erstes Verliebtsein werden so in die Handlung eingewoben, dass man sich zwar permanent amüsiert, aber einige von Sams Aussagen einen außerdem zum Nachdenken bringen. Das Ende war anders als erwartet, gefiel mir aber sehr gut.

Fazit:
----------------------
Amüsanter Roman über Selbstfindung, Begabtenförderung und das Erwachsenwerden - sarkastisch, aber auch mit ernsten Untertönen