Ein besonderes Buch

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romy_abroad Avatar

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Eine junge Frau macht ihren Schulabschluss, hat große Pläne und den Willen, das Leben ohne Einschränkungen zu Erleben. Doch dann taucht auf einmal die Sehnsucht auf, weniger zu werden, weniger zu sein. Das Essen wird zu einer unangenehmen Pflicht, der sie sich immer häufiger entzieht. Ihr Bewegungsdrang wird beinah unstillbar, und sie verlangt ihrem Körper ab was er schafft - manchmal auch mehr. Ihre Eltern, ihr Bruder, Partner, Ärzte, Sozialarbeiter und Pfleger können nur hilflos zusehen, wie die leere Kammer in ihrer Seele ihren Lebenswillen zunichte macht. Ein Spurensuche auf ihrem Lebensweg liefert Anhaltspunkte, aber keine Erklärungen. Die Protokolle in ihrer Krankenakte bieten Fakten, aber keine Hintergründe. Sonst sind da nur Fragen an das Leben, Bruchstücke eines Daseins, Gedanken ohne Kontext. Wir begleiten die junge Frau durch dunkle Tage und helle Zeiten, und wissen doch nie, wohin der Weg führt.
Louise Juhl Dalsgaard erzählt die Geschichte einer jungen Frau auf der Ich-Perspektive, wodurch sich der Leser direkt inmitten ihrer Gefühle und Gedanken wiederfindet. Der gesamte Text ist in kurzen Abschnitten verfasst, die teilweise wenig bis gar keinen Bezug aufeinander nehmen, wodurch die Erzählung manchmal mehr an ein abstraktes Gedicht als an einem erzählenden Roman erinnert. Diese Art zu schreiben mag auf manche Leser eigenwillig wirken, doch sie vermittelt sehr gut das Denken und Erleben einer psychischen Krankheit, welches nicht immer linear oder wohl strukturiert ist.
"Genug" ist ein besonderes Buch, das ich ganz anders erlebt habe, als ich es mir vorgestellt habe, und das ich auch mit keiner anderen Lektüre vergleichen kann. Teilweise nimmt die Autorin kein Blatt vor den Mund, zugleich gelingt es ihr, die Dominanz der Krankheit zu vermitteln, ohne dass ihr Text darum kreist. Eine außergewöhnliche Lektüre.