Gnadenlos ehrlich!

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sapere_aude Avatar

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Frances und Bobbi, Anfang 20, Studentinnen in Dublin und früher mal ein Liebespaar, lernen das etwa 10 Jahre ältere Ehepaar Melissa und Nick kennen. Sie ist Fotografin, er ein mittelerfolgreicher Schauspieler. Es beginnt ein Liebesreigen, der aus der Sicht von Frances geschildert und daher einerseits gnadenlos seziert und bis ins kleinste Gefühl beschrieben wird, andererseits erfährt aber auch der Leser nur so viel, wie Frances weiß und bleibt daher in einer permanenten Spannung.
"Gespräche mit Freunden" ist schonungslos, was die Darstellung der Gefühle und Dialoge angeht und dadurch, dass Aussagen nicht in Anführungszeichen gesetzt werden, verschwimmt beides bisweilen. Es ist tatsächlich diese Schonungslosigkeit, die das Buch so lesenswert macht und einen in den verschiedensten Dimensionen der Macht, Manipulation und Abhängigkeit über Beziehungen nachdenken lässt. Wenig überraschend ist dagegen, dass sexuelle Spannung in einer derartigen Vierer-Konstellation geradezu angelegt ist, und dass eine ménage à quatre erst bei einem Frankreich-Aufenthalt richtig abhebt, grenzt schon fast an ein Klischee.
Der deutschen Übersetzung fehlt anfangs die Präzision, die der Text fordert, wird aber mit jeder Seite besser. Deutlich schlechter als bei den verschiedenen englischen Ausgaben ist aber das deutsche Cover. Ihm fehlt irgendwie das Forsche und Unkonventionelle, das die Protagonistin bei aller Introspektion mitbringt. Da man aber bei der Lektüre gewöhnlich in das Buch schaut, spricht dies nicht gegen eine klare Leseempfehlung!