Zeitschleife der Gefühle

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kobina Avatar

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Wer anhand des Klappentextes eine harmonische, romantische Beziehung erwartet, wird überrascht: Henry und Louis starten mit einem handfesten Streit ins Buch. Das Thema dieses Streits wirkt zwar zunächst fast banal, aber die Darstellung macht deutlich, wie subjektiv Verletzlichkeit und emotionale Trigger sind – und das finde ich sehr gelungen. Beide Hauptfiguren sind realistisch gezeichnet, mit Ecken, Kanten und nachvollziehbaren Gefühlslagen. Man liest nicht über „Figuren“, sondern über Menschen.

Leider habe ich selten einen Protagonisten so konsequent unsympathisch gefunden wie Henry. Seine Art war für mich ein echter Dämpfer beim Lesen – selbst in den emotionalen Momenten blieb er für mich unzugänglich. Adam, eine Nebenfigur, war dafür ein absolutes Highlight; sowie auch Dylan, dem wir im zweiten Band wohl noch begegnen werden.

Ein zentrales Motiv ist Louis’ "Zeitschleife" – und die wird auch formal konsequent durchgezogen. Ganze Dialoge wiederholen sich wortwörtlich, was durchaus zwiespältig ist. Einerseits wirkt es etwas bequem, andererseits erzeugt es genau den gewünschten Effekt: Man wird genauso mürbe wie Louis. Lesende und Figur teilen das Gefühl der Frustration und Ohnmacht. Ein kluger, wenn auch mutiger Kniff.

Die Auflösung teilt sich in zwei Hälften – die eine lässt sich früh erahnen, die andere überrascht und ergänzt das Bild stimmig. Insgesamt bleibt ein schönes, nachdenkliches Gesamtbild zurück. Was mir allerdings gefehlt hat, war die emotionale Wucht, die ich mir von der Thematik erhofft hatte. Kein Tränchen, keine Gänsehaut – vielleicht, weil Louis mehr mit Wut als mit Trauer auf seine Lage reagiert. Das ist zwar mehr als nachvollziehbar, aber für mich persönlich allerdings weniger berührend.

Der Ausblick auf die beiden Protagonisten im zweiten Band hat mir dafür sehr gefallen und macht Lust auf mehr.