Sehr spannender Serien-Auftakt!

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sleepwalker1303 Avatar

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2022 scheint ein Jahr der wirklich guten Krimis zu werden. Zumindest habe ich dieses Jahr schon einige wirklich gute Bücher dieses Genres gelesen. „Gezeitenmord“ von Dennis Jürgensen ist auf jeden Fall auch eines davon. Von der ersten Seite an hat der Krimi über die deutsch-dänische Zusammenarbeit von Lykke Teit und Rudi Lehmann mich gefesselt. Einzig die vielen Anglizismen haben mich gestört, aber das ist nur ein winziger Kritikpunkt in einer Fülle von Lob.
Aber von vorn.
Bei einer naturkundlichen Wanderung finden Lehrer Lasse Espersen und sein elfjähriger Schüler Villads im Watt an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark im dichten Nebel die vergrabene Leiche eines Mannes. Lasse wird von einem gesichtslosen hustenden Unbekannten niedergeschlagen, Villads verschwindet spurlos. Die junge Kopenhagener Polizistin Lykke Teit darf im Südjütländischen Grenzgebiet ihren ersten eigenen Fall leiten, zu ihrer Unterstützung wird ihr der wesentlich ältere und erfahrenere deutsche Kommissar Rudi Lehmann zur Seite gestellt. So harmonisch die Zusammenarbeit der beiden ist, so trügerisch scheint die Harmonie im Dorf, denn Villads ist nicht das erste Kind, das in Melum verschwunden ist. Vor über einem Jahr verschwand die sechsjährige Rosa ebenfalls spurlos. Pikant am aktuellen Fall ist, dass Lykke den Toten aus dem Watt kannte. Und dann werden noch die Leichen zweier im Dorf als eher zwielichtig angesehener Menschen gefunden und der Fall nimmt Fahrt auf. Aber wie passen die Fälle zusammen, und tun sie das überhaupt? Und was hat der inhaftierte pädophile Kannibale Peik Gravesen mit allem zu tun?
Ich liebe dänische Krimis wirklich sehr. Am liebsten lese ich sie im Original, wenngleich die Übersetzung dieses Buchs sehr gelungen ist. Der Übersetzer hat es geschafft, den feinen Sprachwitz genau zu erfassen und ich musste inmitten der Spannung oft schmunzeln. Auch die Animositäten zwischen den Dänen in Südjütland sowohl gegenüber den Deutschen als auch gegenüber der Polizistin aus Kopenhagen waren pointiert und genau getroffen, ebenso die kleineren internen Kompetenzgerangel unter den Polizisten. Das Buch ist flüssig zu lesen, obwohl mich die Anglizismen wie „point taken“, „no way“ oder „Don’t push it“ irgendwie stören. Allerdings sind sie im Original ebenso zu finden, daher kann man sie zumindest nicht dem Übersetzer ankreiden. Die Charaktere fand ich hervorragend ausgearbeitet und sehr plastisch beschrieben, vor allem die beiden Protagonisten sind mit allen Ecken, Kanten und ihrer eigenen Vergangenheit dargestellt. Da beide „ihr Päckchen zu tragen haben“ und jeder einen eigenen ungeklärten persönlichen Fall mitbringt, macht das Buch Lust und Neugier auf mehr. Dennis Jürgensen ist als „Wiederholungstäter“ bekannt, viele der 60 Bücher, die er in Skandinavien veröffentlicht hat, gehören zu Serien. Leider gibt es weder die Spukgeschichten für Kinder noch die Reihe um den Ermittler Roland Triel auf Deutsch, „Gezeitenmord“ das erste seiner Bücher, das in der Übersetzung erschienen ist. Vielleicht kommt da ja mehr nach – ich würde mich freuen.
Für mich war „Gezeitenmord“ auf jeden Fall ein Erfolg auf ganzer Linie und daher vergebe ich fünf Sterne und empfehle dieses Buch jedem Scandi Noir-Fan.