Voll krass

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timphilipp Avatar

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Die Protagonistin dieses Buches - Frl. Alice Krise - ist seit fast 40 Jahren Lehrerin und berichtet aus ihrem Schulalltag als Klassenlehrerin einer 8./9. Klasse an einer Brennpunktschule. Zu ihr gehören überwiegend unmotivierte Schüler auf Haupt-schulniveau mit Migrationshintergrund.

Die Erzählung beginnt kurz vor den Sommerferien im 8. Schuljahr und endet in chronologischer Reihenfolge in den Sommerferien nach dem 9. Schuljahr. Sie gliedert sich in zahlreiche kurze Kapitel, in denen immer wieder ein neues Ereignis in der Schule thematisiert wird, z.B. Wandertag, Berufsberatung, Betriebspraktikum, Weihnachtsfeier. Jedes Kapitel ist aus sich heraus verständlich, und deshalb eignet sich das Buch m.E. gut zum Vorlesen z.B. in einer letzten Deutschstunde vor den Ferien in der Schule.
Eingestreut sind drucktechnisch abgehobene Kapitel, in denen Frl. Krise über ihre vergangenen Schulerlebnisse, insbesondere am Beginn ihrer Lehrerlaufbahn, erzählt. Auf diese Weise wird gut deutlich, wie sich das Schulleben sowohl für Schüler als auch Lehrer gewandelt hat.

Der Erzählstil ist sehr humorvoll. Der Leser muss unentwegt still in sich hinein lächeln. Absolutes Highlight insoweit war für mich das Kapitel "Lesen bildet" (S.156 ff.), in dem es im Deutschunterricht um den Schlagzeilenvergleich in der Bild- und einer "guten" Zeitung geht. Aus diesem Kapitel muss ich einfach zitieren, so lustig ist es: "Die Bild-Schlagzeile 'Schade, dass Di das Glück ihres Sohnes nicht mehr erleben kann!' verwirrt den armen Ömür. 'Frl. Krise, ist voll falsch geschrieben', sagt Ömür. 'Die haben die nur mit i geschrieben.' … 'Lady Die, das ist die Mutter von William', sage ich zu Ömür, damit es endlich weitergeht. 'Was Williams?', fragt Ömür. 'Formel 1, wa?' "

Dass der Schreibstil so lustig rüberkommt, liegt im wesentlichen an der deutsch-türkisch-arabischen Jugendsprache. Frl. Krises Schüler reden unentwegt in falschem Deutsch. Fast besteht die Gefahr, dass nach der Lektüre des Buches Sprache und Verhalten der Schüler auf den Leser abfärben. So ist es immerhin auch Frl. Krise ergangen (in dem Kapitel "Da staunt der Männe"/S. 243 ff., in dem sie wider besseres Wissen abstreitet, ein Bobonpapier im Auto ihres Mannes auf den Boden geworfen zu haben).

Das Cover passt sehr gut zum Buch und seinem Untertitel. Es nimmt Bezug auf den Beginn der Lehrtätigkeit von Frl. Krise in den 70er Jahren.

Wer das Buch wie ich als reine Unterhaltungsliteratur ansieht, wird von ihm begeistert sein. Insbesondere, wenn er bereits das ähnlich gehaltene Buch "Voll streng, Frau Freitag" gelesen hat. Übrigens sind beide Protagonisten befreundet. Negativ anzumerken ist jedoch, dass es beim deutschen Leser evtl. vorhandene Vorurteile und Vorbehalte gegenüber ausländischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund bzgl. ihres Integrationswillens bestärken könnte.