Chancen, Krieg und Ginsterburg – das Schicksal einer Kleinstadtidylle

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ron_robert_rosenberg Avatar

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Ginsterburg! Ein historischer Roman von Arno Frank, der sich wie ein Mosaiksteinchen nahtlos in die gegenwärtige Zeit fügt. In drei Zeitsprüngen, von 1935 über 1940 bis 1945, erzählt er das Treiben in einer mittelgroßen, typisch deutschen, aber fiktiven Stadt, die sich im Strudel von Kriegstreiberei, den Schrecken eines Weltkrieges und dem Elend seiner Folgen befindet. Mit hohem Wiedererkennungswert schildert Frank menschliche Schicksale aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, von fahrenden Völkern, Flüchtlingen, der Arbeiterklasse, dem Bürgertum, Industriellen und dem Hochadel. Nichts bleibt verborgen, nichts Menschliche fremd. Und mit Blick auf die heutigen weltweiten Entwicklungen bietet das Buch haarsträubendes Anschauungsmaterial, wie unter dem Streben nach nationaler Vormachtstellung – hier hallt in Deutschland die Schmach von Versailles und dem verlorenen Großen Krieg noch nach, die Wunden schwären weiter – der krakenartige Faschismus immer mehr Seelen erfasst und am Ende ins Verderben reißt.
Gleichzeitig gelingt es Frank, trotz dieser sich anbahnenden Schrecken, die der Leser den Figuren voraushat, einen wahnsinnig lebendigen und spannenden Roman zu weben. Die Stoffe, denen er sich bedient, sind zum Teil reale Personen und historische Dokumente, die die vielen Schicksale sehr authentisch machen.
Sprachlich finden sich viele Juwelen und bilden einen ganz besonderen Schatz. Arno Frank erweist sich hier als genialer Meister von Stimmungen und Sprachbrillanz. Mit seinem Schreibstil schlüpft der Leser problemlos in die jeweiligen Köpfe der Charaktere, ist Teil ihrer Gedanken und ihres Handelns, alles so hautnah, als wäre er dabei und als wäre es so passiert bzw. als hätte es sich nur so zutragen können. Und streckenweise stimmt es ja auch. Sehr überzeugend nimmt Frank seine Leser mit an die abenteuerlichsten und unwahrscheinlichsten Orte, von U-Boot-Kämpfen bis hin zu Geburtstagsfeiern der Bourgeoisie.
Obwohl erst Anfang 2025 erschienen – kurz vor der Bundestagswahl, aus der ein deutlicher Rechtsruck hervorgegangen ist – ist „Ginsterburg“ ein so wichtiger Roman, der dazu beitragen kann, unverzeihliche Fehler nicht zu wiederholen, dass ich diesem jedem nur ans Herz legen kann. Darüber hinaus ist er ein wahres Lesevergnügen. Für mich einer der besten Romane seit langem. Bravo!
Ich wünsche mir, dass Arno Frank noch viele weitere Romane verfasst. Dank seiner außerordentlichen Kunstfertigkeit geht selbst mit dieser dunklen Geschichte eine hohe Strahlkraft von ihm aus.