Leise Zweifel nur...

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wolfram Avatar

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Arno Franks "Ginsterburg" erzählt in mehreren Zeitsprüngen den Aufstieg und Fall von Nazideutschland zwischen 1935 und 1945 am Beispiel des Lebens in dem fiktiven kleinen, beschaulichen Städtchen Ginsterburg.

Da gibt es alle Schattierungen: glühende Mitläufer der ersten Stunde Zögerer, und dann die zwei Kinder Gesine und Lothar. Lothar ist ein Träumer, der von den bulligen Zwillingen Bruno und Knut kräftig gequält wird. Doch Lothar stellt sich als Naturtalent der Fliegerei heraus, und Gerät als junger Mann selbst in den Strudel der Nazis und wird zum Flieger-Ass. Im Laufe des Krieges merkt man eine deutliche Wandlung seiner Psyche. Einmal, auf Heimaturlaub, als er mit seiner Geliebten Gesine (die sich zu einer glühenden Mitläuferin gewandelt hat) ein Picknick im Wald macht, fackelt er plötzlich einen ganzen Ameisenhaufen ab, wo er doch vorher sehr naturverbunden und von Tieren fasziniert war.
Immer roher und abgestumpfte wird er, immer traumatisierter und hoffnungsloser.
Im Laufe des Krieges kommen ihm dann doch Zweifel am Sinn des Endsiegs.
Andere Bewohner des Städtchens zögern es solange es geht hinaus, sich dem Regime zu bekennen und scheitern am Ende doch. Opportunismus siegt. Wer den Mund aufmacht, begibt sich in Gefahr.
Die Gefahr aber ist weit weg. Ginsterburg liegt strategisch sehr günstig ist also für den Feind nicht von Belang und damit bis 1945 unversehrt.
Hier wird noch das friedliche Leben gespielt, die Augen vor der Gewalt, die ganz weit weg ist, verschlossen. Und als dann doch ein Geschwader kommt, zeigt sich, wie verblendet die Menschen sind gewohnt an Fliegeralarm, völlig realitätsfern. Zwischen Verbrannte Erde, Freitod und Ignoranz ist alles dabei.

Das Buch beeindruckt durch die sehr lebensnahe Beschreibung, wie fast unmerklich die Propaganda in eine kleine Stadt einsickert und seine furchtbare Auswirkung entfaltet. Wie einfach es ist, sich dem Opportunismus hinzugeben und seine eigene Haut zu retten, und gleichzeitig die Augen so fest verschließt vor dem Leid der unterdrückten Minderheit. Die Wut auf die "feindlichen Flieger, die Zivilisten angreifen und harmlose Städte niederbrennen", ohne zu bedenken, was die deutsche Luftwaffe im Ausland angerichtet hat.

"Ginsterburg" eignet sich als Wiederauffrischung für Geschichtsvergessene, als Mahnmal vor Wiederholung der Geschichte.