Opfer müssen gebracht werden

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owenmeany Avatar

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Dieser historische Roman präsentiert uns den Querschnitt durch die Bewohner einer fiktiven deutschen Mittelstadt in Zeiten des aufkommenden Nationalsozialismus und seiner Folgen. Das Profil der bürgerlichen Bevölkerung wird gebrochen in der Spiegelung des gastierenden Zirkus. Drei Zeittranchen im Abstand von jeweil fünf Jahren bilden die Entwicklungsstadien ab.

Im Kapitel des Jahres 1935 startet die Geschichte relativ unspektakulär. Wir "Nachgeborenen" lesen freilich vieles zwischen den Zeilen. Doch genauso unauffällig hat sich dieser Ungeist wohl tatsächlich eingeschlichen - die Wahrsagerin des Zirkus prophezeit da schon so manches. Schade, dass dieser Handlungsstrang nicht weiter verfolgt wird.

Dramatischer geht es dann im Abschnitt 1940 zu, da hat der Zweite Weltkrieg schon angefangen, aber die Deutschen sind noch ganz auf den Sieg eingestellt. Und wie alles 1945 endet, ist bekannt, aber Frank verschont uns vor den übelsten Grausamkeiten, sondern entwickelt lediglich einen gnadenlosen Zynismus, indem er allen Handelnden kaum ein gutes Haar lässt. Niemand bleibt schuldlos, irgendwie sind sie alle verwickelt. Auch das romantische Liebespaar besteht aus einem BDM-Mädchen und einem Kampfflieger, der stolz ist auf seine zahllosen Abschüsse. Die Personen und ihre Beziehungen zueinander konnte ich mit der Zeit gut überblicken, weil sie treffend charakterisiert sind mit ihren typischen Eigenschaften.

Bis zum Schluss leben die beschriebenen Deutschen in ihrer eigenen Realität und wollen trotz augenscheinlicher Verluste nicht wahrhaben, dass das Spiel aus ist. Gegen Ende führen sie sich aber selbst ad absurdum, bis man sich vorkommt wie in einem surrealistischen Gemälde. Und schließlich entpuppt sich diese ganze deutsche Epoche als das, was sie von Anfang an war: eine einzige bodenlose, menschenverachtende Absurdität.

Franks Stil ist ambitioniert mit zuweilen kreativen Wortschöpfungen, manchmal wechselt er kapitelweise vom Imperfekt zum Präsens, besonders bei Action-Szenen. Wenn man sich auf das schwierige Thema einlassen kann, wird man gerade in den heutigen auch wieder labilen Zeiten einen Eindruck gewinnen, wie jeder einzelne Einfluss auf die Zeitläufte nimmt.