Mit dem Glauben an sich selbst sein Leben verändern

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
geschwaetz Avatar

Von

Mit dem Glauben an sich selbst sein Leben verändern

In den 60er Jahren wächst ein Mädchen auf dem Land in einer Bauernfamilie auf. Sie kann lange nicht laufen und muss in ihren ersten Lebensjahren, so genau erfährt man nicht, wie lange, mit eingegipsten Beinen zurechtkommen.
Nur die Oma hat Verständnis für das kleine, kranke Kind, das für keine Arbeit zu gebrauchen und somit nur eine Last für die Familie ist.
Als das Mädchen von der Dorfschule endlich in eine Schule in der Stadt wechseln kann, wo sich für sie eine völlig neue Welt eröffnet und sich ihr ganz andere Möglichkeiten offenbaren, begreift sie endgültig, dass sie mehr will als ein Leben auf dem Land, in dieser spießigen und kleingeistigen Enge der Dorfgemeinschaft und des vorbestimmten Lebens von Heirat, Familie und Hof.
In den 70er Jahren wird für Jugendliche endlich alles freier. Reisen, Kleidung, Frisuren, Musik (nicht mehr nur deutsche Schlager, sondern Popmusik aus England und Amerika). Frischer Wind. Aufbruchstimmung.
Das „Gipskind“ wird immer nur „die Kleine“ genannt, auf Seite 131 bekommt sie endlich einen Namen, bei dem sie dann im letzten Drittel Buches auch kontinuierlich genannt wird, weil sie im Laufe der Zeit eine eigene Persönlichkeit und einen starken Willen entwickelt hat ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Obwohl ihr Leben so düster beginnt, wie es das Cover erahnen lässt, verliert sie sich nicht ins Wehklagen, sondern bleibt inspiriert von dem, was sie in der Zukunft erwarten könnte und möchte. Und so löst sie sich auch von all denen, die sie in alten kleingeistigen Traditionen halten wollen.
Gabriele Kögl beschreibt das karge Leben und die schlechten Wohnverhältnisse auf dem Land, die überforderten Eltern, die Sprache der Menschen, die Musik, die im Radio gehört wurde, eingängige Schlagertexte, Fernsehsendungen, die Familien gemeinsam geguckt haben und schafft so eine gut nachvollziehbare Atmosphäre der damaligen Zeit. Am Beispiel unterschiedlicher Familien zeigt sie verschiedene gesellschaftliche Vorurteile und Konflikte auf, wie sie nicht nur für die 60er Jahre typisch waren. Frei davon sind wir heute immer noch nicht.
Ein wenig nervte mich, dass alles immer aus einer latenten Naivität heraus erzählt wurde, so, als hätte die Erzählerin über sich als sich-fremd-Gewordene geschrieben, aus dem Abstand der Lebenserfahrung heraus, die sie inzwischen gemacht hatte und als würde sie heute noch immer darüber staunen, dass sie dieser Enge entkommen ist.
Eine coming of Age Story, die ich gerne gelesen habe.