X-Haxen sind schiach

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buecherfan.wit Avatar

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In Gabriele Kögls Roman “Gipskind“ geht es um ein Mädchen, das in den 60er Jahren in Österreich in einem ärmlichen bäuerlichen Milieu aufwächst. Das lange „die Kleine“ genannte Mädchen hat von Geburt an Probleme mit den Beinen, die eingegipst werden, um sie zu korrigieren. Sie wird nie tanzen oder Sport treiben können und ist für die lieblosen Eltern von Anfang an eine Enttäuschung, vor allem für die Mutter, für die Kinder schon frühzeitig Arbeitskräfte sind und die keinen Sinn in Bildung und Kultur sieht. Kein Kind darf den Eltern unnötig lange auf der Tasche liegen. Die Mutter will ihre Tochter Andrea zwingen, mit 14 die Schule zu verlassen und Geld zu verdienen. Andrea weigert sich, macht Abitur und will in Wien studieren. Bis dahin ist es ein langer Weg und ein schwerer Kampf, aber Andrea hat nur ein Ziel: die Enge des bäuerlichen Milieus zu verlassen. Ihr Widerstand bringt ihr viele „Watschen“, Prügel und sogar Fußtritte ein. Sie hat keine Angst vor körperlicher Züchtigung, denn nur so gewinnt sie die Freiheit zu tun, was sie will. Die einzige Person, die sie versteht und liebt, ist ihre Großmutter väterlicherseits. Mit dem Großvater hat sie die gleichen Gewalterfahrungen gemacht wie Andrea mit ihrem jähzornigen Vater. Hinzukommt, dass das Mädchen mit 13 erwachsen aussieht und die Mutter sofort ihre weiblichen Reize gewinnbringend einsetzen will – sei es zur Erlangung eines Kredits oder zur Vorbereitung einer Ehe mit dem Sohn eines reichen Bauern, was auch den Eltern eine ganz andere gesellschaftliche Stellung verschaffen würde.
Diese Geschichte wäre für den Leser unerträglich trist, wenn die Autorin nicht das eindrucksvolle Porträt einer starken Persönlichkeit zeichnen würde, die ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben verwirklicht. Erzählt wird der Roman in ausgeprägtem österreichischem Dialekt, was ihm besondere Authentizität verleiht. Herkunft und Sprache sind hier untrennbar miteinander verbunden. Nennenswerte Verständnisprobleme gibt es für den Leser dennoch nicht. Authentisch in ihrer Grausamkeit wirken auch Beschreibungen von Schlachtszenen, der Kastration von jungen Ferkeln durch den Saustecher oder der Kaiserschnitt bei einer Kuh, bei dem die Kleine mithilft.
Mich hat das Buch sehr beeindruckt und ich empfehle es gern.